Die Obamas
Kreditkarte mit ihrem richtigen Namen. [77] Michelle Obama, die so lange gezögert hatte, nach Washington zu ziehen, und die sich im Weißen Haus anfangs wie eine Gefangene gefühlt hatte, baute sich nach und nach ein neues Leben auf. Sie hatte mit der Zeit einige neue Freundinnen in Washington gefunden, und selbst an die Tatsache, im Weißen Haus zu wohnen, hatte sie sich gewöhnt – zumindest weitgehend.
Der Präsident musste sich stärker einschränken, ließ es sich aber nicht nehmen, zusammen mit anderen Eltern Sashas Basketballmannschaft zu trainieren. Um nicht zu viel Aufsehen zu erregen, blieb er zwar den Wettkämpfen fern, aber beim Training ließen er und Reggie Love die Mädchen eine Übung nach der anderen machen. Auch hier nahm der Präsident seine Aufgabe sehr ernst und dachte sich sogar eigens Übungen aus, um spezielle Abläufe zu trainieren. Einmal gelang einem Fotografen des Weißen Hauses ein beeindruckender Schnappschuss. Bei einer Trainingseinheit von Reggie Love hielt der Präsident sich im Hintergrund, stand in einer Reihe mit den Kindern und führte synchron die Bewegungen aus. Das Foto wurde nie veröffentlicht, aber im Weißen Haus war man begeistert. Endlich war Barack Obama, was sein eigener Vater ihm nie gewesen war, was er selbst nie zuvor geschafft hatte und was seine Frau sich immer gewünscht hatte: ein Vater, der als Basketballcoach zur Verfügung steht.
Auch das Weiße Haus selbst veränderte sich. Die First Lady setzte sich für die Einrichtung eines Stillraums im Erdgeschoss des Ostflügels ein. In den Privaträumen im ersten Stock war das Gelb der Wände aus der Bush-Ära größtenteils durch warme Grau- und andere natürliche, beruhigend wirkende Farbtöne ersetzt worden. Für Admiral Stephen Rochon, den Chefbutler, dem die Hausangestellten unterstanden, fanden die Obamas eine neue Aufgabe. Seine Stelle vertrauten sie Monate später Angella Reid an, die zuvor ein Ritz-Carlton Hotel gemanagt hatte. Es sollte moderner zugehen in den Privaträumen des amerikanischen Präsidenten.
Bei einer Veranstaltung zum »Take Your Child to Work«-Tag einige Wochen nach dem Start der Kampagne für die Soldatenfamilien sprach Michelle Obama mit einem achtjährigen Jungen namens Gavin.
»Waren Sie sehr überrascht, als Sie ins Weiße Haus kamen?«, fragte er sie.
»Ich war geschockt«, lautete die Antwort. »Ich war früher schon mal im Weißen Haus, ich hatte eine ganz normale Führung mitgemacht«, fuhr sie fort. »Ich wusste also schon, wie es im Erdgeschoss aussieht. Aber dann geht man nach oben, wo der Präsident mit seiner Familie wohnt, und dann kommt der Schock. Aber jetzt ist es kein Schock mehr. Jetzt ist alles mehr oder weniger normal. Wir haben eine Weile gebraucht, uns daran zu gewöhnen. Was würdest du sagen, wenn du eines Morgens aufwachst und wohnst im Weißen Haus? Wärst du da nicht auch geschockt?«
Gavin nickte.
***
An einem dunstigen Mainachmittag flog Michelle Obama von Washington aus über den Hudson hinweg, um vor den Absolventen der Militärakademie West Point eine Rede zu halten. Gegen die militärische Strenge und Schlichtheit des Campus – eine Reihe grauer Türme und grüner, trotz der Anwesenheit mehrerer tausend Gäste makelloser Rasenflächen – wirkte das Weiße Haus geradezu locker. Michelle Obama sollte in der Cadet Mess Hall sprechen, dem weiten, hallenden Speisesaal, an dessen Wänden die Porträts einstiger Generäle prangten. Die Kadetten trugen gestärkte weiße Uniformen mit roten Schärpen, ihre Familien waren für die Abschlussfeier festlich gekleidet.
Es war, gelinde gesagt, ein ungewöhnlicher Ort für Michelle. So gut wie nie sprach sie in Elite-Institutionen, gewöhnlich trat sie eher im kleineren Rahmen auf und wählte häufig Orte, an denen sich die Mächtigen der Welt normalerweise nicht zeigten: eine Kindertagesstätte hier, ein Supermarkt dort. Nun aber betrat sie den Saal und schritt durch den langen Mittelgang nach vorn, zwischen den Absolventen mit ihren gezückten Kameras hindurch. Alle Augen waren auf sie gerichtet, und niemand sagte etwas; fast wirkte sie wie eine Braut. Da zerriss ein einzelner Freudenschrei die Stille, und der ganze Saal brach in begeisterten Jubel aus.
Das Essen begann mit den traditionellen West-Point-Trinksprüchen.
»Meine Damen und Herren, ich trinke auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten!«, rief einer der Kadetten.
»Auf den Präsidenten!«, antworteten alle.
»Auf die Armee!«, fuhr der
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