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Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands

Titel: Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruediger Jungbluth
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Revolution. Als Erste meuterten im Oktober 1918 die Matrosen in Kiel und Wilhelmshaven. Sie wehrten sich gegen den unsinnigen Befehl, zu einer letzten Schlacht gegen die englische Flotte auszulaufen. Im November proklamierte der Unabhängige Sozialdemokrat Kurt Eisner in Bayern die erste Räterepublik Deutschlands. Überall in Deutschland hatte der monarchistische Obrigkeitsstaat abgewirtschaftet und Kaiser Wilhelm II. war ins holländische Exil gegangen. Am 9. November 1918 rief der SPD-Politiker Philipp Scheidemann von einem Fenster des Reichstagsgebäudes in Berlin die »Deutsche Republik« aus. Ein paar Stunden später proklamierte Karl Liebknecht vor einer Menschenmenge am Berliner Schloss die »freie sozialistische Republik Deutschlands«.
    Überall im Lande hatten sich Soldatenräte in den Garnisonen und Arbeiterräte in den Fabriken gebildet. Die Könige von Bayern, Sachsen |104| und Württemberg dankten ab, als man sie dazu aufforderte. Ebenso taten es die Herzoge und Großherzoge der anderen deutschen Staaten. Nun übernahm der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert das Schiff, dem der Steuermann fehlte. Der Sozialdemokrat war im Grunde ein konservativer Mann. Seine obersten Ziele waren, den Deutschen eine Revolution nach russischem Vorbild zu ersparen, einen Bürgerkrieg zu verhindern und das Volk vor einer Hungersnot zu bewahren. Deshalb verbündete er sich mit dem Militär.
    Allerdings war die alte Frontarmee für einen Kampf im Inneren nicht zu gebrauchen. Die meisten Soldaten wollten nur noch zu ihren Familien zurück. Daher stellte die Oberste Heeresleitung für den Kampf gegen die Revolutionäre besondere Freiwilligen-Formationen auf, die so genannten Freikorps. Auch ein Mitglied der Familie Oetker war mit dabei, als es darum ging, die Kommunisten in Deutschland mit Waffengewalt von der Macht fern zu halten.
    Karl Oetker war ein Neffe des Bielefelder Unternehmers und stammte aus Altona, wo sein Vater Carl Christian Oetker eine Firma besessen hatte. Vor dem Krieg hatte Karl Oetker das Realgymnasium besucht und eine Lehre als Großhandelskaufmann in einer Kolonialwarenfirma gemacht. Im August 1914 hatte er sich als 18-Jähriger freiwillig gemeldet. Er war an die Westfront gekommen und hatte bei Arras und in der Champagne gekämpft. Auch bei der Schlacht vor Verdun war er dabei gewesen. Mehrfach war er im Krieg verwundet worden. Einmal war er so lange verschüttet gewesen, dass er nach der Bergung als untauglich für einen weiteren Fronteinsatz eingestuft worden war.
    Als nach der Abdankung des Kaisers die alte Ordnung in Deutschland zusammenbrach, erlebte Karl Oetker in Altona und Hamburg mit, wie Matrosen auf Lastwagen durch die Stadt fuhren und rote Fahnen schwenkten. Er sah, wie hungernde Arbeiter Fabriken besetzten und Lebensmittelläden plünderten. In dieser Situation schloss sich der Unternehmersohn dem Freikorps »Groß-Hamburg« an, um gegen die Aufständischen zu kämpfen.
    Alwin Münchmeyer, Spross einer alten Kaufmannsfamilie, erlebte |105| als Zehnjähriger das Chaos und den Aufruhr in seiner Vaterstadt mit. Seine spätere Erinnerung an diese Ereignisse passt wie maßgeschneidert auf Karl Oetker: »Zahlreiche Bürgersöhne waren gleich nach der Schule in den Krieg gezogen und fanden zunächst ohnehin keinen rechten Platz in der Friedensordnung. Sie schlossen sich zu so genannten Freikorps zusammen. Sie verteidigten uns gegen Kommunisten und Aufständische. Und sie verteidigten so zugleich die neue Regierung, obwohl sicher keiner von ihnen über Nacht zum Republikaner oder gar zum Sozialdemokraten geworden war.«
    Es war tatsächlich ein merkwürdiger Vorgang: Sozialdemokraten und das alte Militär machten im Bündnis fast alles ungeschehen, was es bis dahin an Revolution in Deutschland gegeben hatte. Einzig das Ende der Monarchie sollte Bestand haben. Ansonsten stellte die Weimarer Republik in vielerlei Hinsicht die alten Verhältnisse wieder her. Das private Unternehmertum blieb ebenso bestehen wie das kapitalistische Wirtschaftssystem, das allerdings in eine neue Sozialordnung eingebettet werden sollte.
    Die Nährmittelfabrik Dr. August Oetker konnte nach dem Krieg schon bald wieder gute Geschäfte machen. Die Nachfrage der Kundinnen nach Dr. Oetkers Backpulver explodierte 1919 geradezu. Die Bestellungen der Händler stiegen von Monat zu Monat an. Firmenchef Fritz Behringer weitete die Produktion so stark aus, wie es nur ging. Im Herbst 1919 sah es so aus, als würde das Unternehmen auf Dauer

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