Die Oger - [Roman]
Stück Vieh, aus dem man so einen großen Lappen hätte herausschneiden können. Er selbst entfaltete seinen schmalen Beutel Wachspapier und legte eine Hand voll kleiner getrockneter Fische frei. Äußerst sorgfältig filettierte er die kleinen Tiere und führte die Stücke zum Mund, während Brakbar gierig in sein Dörrfleisch biss und ein großes Stück herausriss.
Von ihren gegensätzlichen Essgewohnheiten verwundert, trafen sich ihre Blicke. Londor reichte Brakbar einen ganzen Fisch, der nicht auffallend größer als ein Finger des Ogers war. Mit gerümpfter Nase hielt Brakbar diesen angeblichen Leckerbissen vorsichtig in der Hand und betrachtete ihn. Dann warf er ihn sich in den Mund und zermalmte ihn genüsslich zwischen den Kiefern.
»Gut«, sagte er, noch bevor er schluckte. »Wie heißt?«
»Das ist ein Ruderfisch. Er ist sehr nahrhaft und gut zu trocknen. Wir nehmen ihn als Reiseproviant mit, wenn wir länger auf See sind«, sagte Londor.
Brakbar riss ein Stück von seinem Mahl ab und reichte es dem Kapitän. Das zähe Fleisch war eine wirkliche Herausforderung für das menschliche Gebiss. Londor kaute darauf herum wie auf einem Stück gegerbtem Leder. »Auch lecker«, sagte er mit vollem Mund, ohne zu wissen, ob er es überhaupt herunterschlucken konnte. »Und was ist das?«
»Drache. Macht satt, aber schwer zu töten«, grinste ihn Brakbar an und entblößte dabei seine spitzen Hauer. Die anderen hatten die Szene erwartungsvoll beobachtet, und nun ertönte verhaltenes Gelächter. Nachdem Londor das Stück Drachenfleisch unbemerkt hinter sich gespuckt hatte, stimmte auch er in ihre Heiterkeit ein. Wenig später lagen sie auf ihren Schlafplätzen und wurden einer nach dem anderen von der Müdigkeit überwältigt.
An nächsten Morgen drängte Kruzmak zum schnellen Aufbruch. Den anderen Ogern fiel es nicht schwer, ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzukramen und sich reisefertig zu melden.
Londors Knochen schmerzten, und er hatte Blasen an den Füßen. Nun war er auch noch gezwungen, sich ohne ausgiebiges Frühstück weiter an den Aufstieg zu machen. Ohne eine richtige Mahlzeit am Morgen war er unausstehlich, aber keiner seiner Reisegefährten fühlte sich dadurch sonderlich gestört. Eigentlich nahmen sie seine Laune überhaupt nicht zur Kenntnis. Das Gros der Oger schien ohnehin die meiste Zeit ihres Daseins schlecht gelaunt zu sein ... oder müde ... oder hungrig.
»Aufwachen, Hüttenbauer«, brummte Brakbar und schnippte Londor mit dem Zeigefinger auf den Hinterkopf.
»Ich schlafe nicht. Ich habe nachgedacht«, erwiderte Londor trotzig.
»Denken lass die machen, die größeren Kopf«, lachte Brakbar.
Londor verdrehte die Augen und setzte sich in Bewegung.
Alle reihten sich wieder in ihre alte Marschordnung ein und bemühten sich, Kruzmaks Tempo zu halten.
Bis zum frühen Nachmittag folgten sie dem schmalen Bergpfad. Langsam wurde spürbar, dass die Luft hier oben dünner war. Die Oger schienen damit besser zurechtzukommen als Londor, der schon seit zwei Stunden Seitenstiche verspürte. Kurz hinter einer Wegbiegung erschwerte eine vor kurzem herabgestürzte Gerölllawine ihren Weg. Sie waren gezwungen, zwischen den lockeren Schuttmassen herumzuklettern, um wieder auf den dahinter liegenden Pfad zu gelangen. Inmitten des Gerölls lagen riesige Haufen Exkremente.
»Bei den Göttern«, rief Londor aus, »das ist nicht mein Tag. Auf meinem Schiff liegt jedenfalls keine Ziegenscheiße herum, in die man treten könnte.«
Kruzmaks Kopf zeigte sich zwischen den Felsen, und sein Arm steckte sich helfend dem Kapitän entgegen. Etwas mehr als hilfreich zog er Londor zwischen den Felsen hindurch und setzte ihn auf der anderen Seite ab.
»Ist nicht Ziege«, grollte Kruzmak.
»Ach, sind wir jetzt neuerdings Fachmann für Exkrementhaufen«, rief Londor ärgerlich aus. »Ist doch egal, es stinkt erbärmlich und klebt an meinem Schuh. Das tut meiner Meinung nach auch Ziegenmist, oder?«
»Ziege nicht fressen Leute von Kleinem Volk«, erwiderte Kruzmak und hielt Londor eine abgenagte Hand inklusive Elle und Speiche unter die Nase.
Londor musste sich augenblicklich übergeben.
»Ist von Troll«, erklärte Kruzmak.
Er rief Brakbar zu sich und zeigte ihm den seltsamen Fund. Sie kamen überein, dass es noch keinen Tag her sein konnte, als der Troll hier seine Mahlzeit zu sich genommen hatte. Gemeinsam schauten sie nach oben, von wo sich die Geröllmassen gelöst haben mussten. Etwa fünfzig Fuß über ihnen
Weitere Kostenlose Bücher