Die Operation
Recht haben«, sagte Daniel. »Aber denk dran, dass wir gezwungen sind, die Grenzen von Ethik und Moral ein kleines bisschen flexibel zu behandeln. Wenn das unsere gemeinsame Voraussetzung ist, kann ich mich dann darauf verlassen, dass du deine Empfindungen bezüglich der Wingate Clinic und ihrer Mission für dich behältst, zumindest so lange, bis wir wieder alleine sind?«
»Ich werde mein Bestes versuchen.«
»Gut«, sagte Daniel. Er holte noch einmal tief Luft, um Kraft zu sammeln, und ging dann zu den anderen zurück. Stephanie folgte ein paar Schritte hinter ihm.
»Ich fürchte, wir haben ein wenig unter dem Jetlag zu leiden«, sagte Daniel erklärend zu ihren Gastgebern. »Wir haben beide ein bisschen zu emotional reagiert. Außerdem hat Dr. D’Agostino manchmal die Tendenz, ihren Standpunkt etwas überdeutlich darzustellen. Unter rein rationalen Gesichtspunkten ist sie der Meinung, dass ausdifferenzierte Zellen eine sehr viel effektivere Möglichkeit sein könnten, die viel versprechenden Perspektiven der Stammzellentherapie zu nutzen.«
»Wir haben ein paar richtig gute Ergebnisse erzielt«, sagte Paul. »Vielleicht wollen Sie sich die zuerst einmal anschauen, Dr. D’Agostino, bevor Sie ein pauschales Urteil fällen.«
»Das wäre bestimmt sehr aufschlussreich.« Mehr brachte Stephanie nicht zustande.
»Lassen Sie uns weitergehen«, schlug Spencer vor. »Sie sollen noch vor dem Mittagessen den Rest der Klinik zu Gesicht bekommen, und es gibt noch eine Menge zu sehen.«
Stumm vor Staunen traten Daniel und Stephanie durch die Doppeltür in ein riesiges Laboratorium. Erneut waren sie vollkommen perplex. Die schiere Größe des Raumes in Verbindung mit der Ausstattung, angefangen von DNASequenziergeräten bis hin zu einfachen Inkubatoren zur Anzucht von Gewebekulturen, war sehr viel mehr, als sie beide erwartet oder gar zu hoffen gewagt hatten. Das Einzige, was fehlte, war Personal. Nur eine einzige Labortechnikerin beugte sich in weiter Ferne über ein Präparationsmikroskop.
»Im Augenblick haben wir zu wenig Personal«, sagte Spencer, als hätte er die Gedanken seiner Gäste gelesen. »Aber das wird sich ändern, sobald die Nachfrage der Patienten steigt.«
»Ich hole mal die Laborleiterin«, sagte Paul und verschwand kurz in einem kleinen Büro an der Seite.
»In etwa sechs Monaten wollen wir voll ausgelastet sein«, sagte Spencer.
»Wie viele Techniker wollen Sie denn hier beschäftigen?«, fragte Stephanie.
»So um die dreißig«, erwiderte Spencer. »Zumindest steht das so in unseren augenblicklichen Kalkulationen. Aber wenn die Nachfrage nach Stammzellentherapien weiter so steigt wie im Augenblick, dann müssen wir die Zahlen nach oben korrigieren.«
Da erschien Paul wieder auf der Bildfläche. Er hielt eine schlanke, fast schon abgemagerte Frau an der Hand. Deutlich sichtbar zeichneten sich ihre Knochen unter der Haut ab, besonders die Wangenknochen. Sie hatte mausfarbenes Haar mit grauen Strähnen und eine schmale, messerscharfe Nase, die wie ein Ausrufezeichen über einem kleinen, schmallippigen Mund hervorragte. Über einem Hosenanzug trug sie einen kurzen Laborkittel mit aufgerollten Ärmeln. Paul führte sie zu den anderen und stellte sie vor. Sie hieß Megan Finnigan, wie auch auf dem Namensschild an ihrer Jacketttasche zu lesen war.
»Wir sind auf Ihre Ankunft vorbereitet«, sagte Megan, nachdem die Vorstellungsrunde zu Ende war. Sie sprach leise mit Bostoner Akzent und deutete auf einen Labortisch in der Nähe. »In diesem Bereich hier haben wir alles aufgebaut, was Sie vermutlich benötigen werden. Falls noch etwas fehlt, dann brauchen Sie nur zu fragen. Meine Bürotür steht Ihnen jederzeit offen.«
»Dr. Lowell braucht ein Fläschchen mit gepufferter Salzlösung«, sagte Paul. »Er hat eine Textilprobe mitgebracht, auf der sich Blut befindet, und er möchte die DNA konservieren.«
»Das ist überhaupt kein Problem«, sagte Megan. Sie rief nach der einzigen Labortechnikerin und bat sie, die Salzlösung zu holen. Die Frau in der Ferne stieß sich von ihrem Schreibtisch ab und machte sich an die Erledigung ihres Auftrages.
»Wann möchten Sie denn anfangen?«, fragte Megan, während Daniel und Stephanie den für sie reservierten Bereich inspizierten.
»So bald wie möglich«, sagte Daniel. »Was ist mit den menschlichen Eizellen? Sind die vorhanden, wenn wir sie benötigen?«
»Jederzeit«, sagte Paul. »Sie müssen uns nur zwölf Stunden vorher Bescheid geben.«
»Das ist
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