Die Operation
ein breites Lächeln und entblößte dabei quadratische gelbe Zähne mit großen Lücken dazwischen. »Willkommen in der Wingate Clinic, liebe Kollegen«, sagte er. »Es ist uns eine Ehre, Sie hier zu haben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wir sehr ich mich auf unsere Zusammenarbeit freue.«
Stephanie lächelte schwach, als er sich an sie wandte und ihre Hand auf und ab schüttelte. Wie hypnotisiert starrte sie ihm in die Augen. Durch seine relativ breite Nase hatte sie den Eindruck, als stünden sie dichter beieinander als gewöhnlich. Außerdem hatte sie noch nie einen Menschen mit zwei verschiedenfarbigen Pupillen gesehen.
»Paul ist der Leiter unserer Forschungsabteilung«, gab Spencer bekannt und versetzte Paul einen Klaps auf den Rücken. »Er freut sich schon sehr darauf, Ihnen sein Labor zur Verfügung zu stellen, und ich darf hinzufügen, er ist ganz wild darauf, Ihnen zu assistieren und das eine oder andere dazuzulernen.« Dann legte Spencer seinen Arm um die Schultern der Frau, die fast so groß war wie er. »Und das hier ist Dr. Sheila Donaldson, die Leiterin des Klinikbetriebes. Sie sorgt dafür, dass Sie einen der beiden Operationssäle zur Verfügung haben, und betreut auch unsere Krankenstation, die Sie ja wahrscheinlich auch in Anspruch nehmen werden.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie auch Stationsbetten zur Verfügung haben«, sagte Daniel.
»Wir sind ein vollwertiger und unabhängiger Krankenhausbetrieb«, sagte Spencer stolz. »Allerdings werden wir Langzeitpatienten, mit denen wir im Normalfall aber nicht rechnen, ins Städtische Krankenhaus überweisen. Unsere Station hat nur eine begrenzte Kapazität und ist eher für gelegentliche, einmalige Übernachtungen ausgelegt. Aber das sollte Ihnen eigentlich vollkommen ausreichen.«
Stephanie riss ihren Blick von Paul Saunders los und betrachtete Sheila Donaldson. Ihr schmales Gesicht wurde von strähnigen, kastanienbraunen Haaren umrahmt. Im Vergleich zu den überschwänglichen Männern wirkte sie zurückhaltend, fast schon schüchtern. Stephanie hatte das Gefühl, als hätte die Frau ihren Blick beim Händeschütteln nur zögernd erwidert.
»Wollen Sie keinen Kaffee?«, fragte Spencer.
Stephanie und Daniel schüttelten beide den Kopf. »Ich glaube, wir haben unsere Tagesration schon gehabt«, erläuterte Daniel. »Wir sind noch auf europäische Zeit eingestellt und schon seit dem Morgengrauen auf den Beinen.«
»Europa?«, fragte Paul begeistert nach. »Hatte das etwas mit dem Turiner Grabtuch zu tun?«
»Das hatte es in der Tat«, erwiderte Daniel.
»Ich nehme an, Ihre Reise ist erfolgreich verlaufen?« Paul zwinkerte verschwörerisch mit den Augen.
»Aufreibend, aber erfolgreich«, merkte Daniel an. »Wir.« Er unterbrach sich, als müsste er überlegen, was er sagen wollte.
Stephanie hielt den Atem an. Sie hoffte inständig, dass Daniel sich nicht zu den Vorfällen in Turin äußern würde. Sie wollte unbedingt Distanz gegenüber diesen Leuten aufrechterhalten. Falls Daniel sie in all die Mühen und Anstrengungen einweihte, die hinter ihnen lagen, dann wäre damit eine Grenze überschritten, die sie auf keinen Fall überschreiten wollte.
»Es ist uns gelungen, eine blutgetränkte Textilprobe des Grabtuchs zu besorgen«, sagte Daniel. »Ich habe sie sogar jetzt bei mir. Am liebsten würde ich sie möglichst schnell in eine gepufferte Salzlösung legen, um die DNA-Fragmente zu stabilisieren.«
»Das hört sich gut an«, sagte Paul. »Gehen wir doch gleich ins Labor.«
»Es spricht nichts dagegen, die Führung dort beginnen zu lassen«, meinte Spencer einvernehmlich.
Stephanie war erleichtert, dass die angemessene persönliche Distanz gewahrt geblieben war. Sie stieß den angehaltenen Atem aus und entspannte sich ein wenig, während das Grüppchen Spencers Büro verließ.
Beim Fahrstuhl angelangt, verabschiedete sich Sheila mit der Begründung, dass einige Patienten warteten und sie dafür sorgen wollte, dass alles reibungslos lief. Dann ging sie die Treppe hinunter.
Das Labor befand sich links vom Hauptgebäude und ließ sich über einen der anmutig geschwungenen, überdachten Arkadengänge erreichen. »Wir haben die Klinik absichtlich in drei Gebäuden untergebracht, damit wir, auch wenn wir die ganze Zeit arbeiten, ab und zu gezwungen sind, an die frische Luft zu gehen«, erläuterte Paul. »Das ist gut für die Seele.«
»Ich komme ein bisschen öfter raus als Paul«, fügte Spencer lachend hinzu. »Aber das sieht man ja
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