Die Operation
Fenster des Nachbargeschäfts und erhaschte einen Blick auf Stephanie, die fröhlich mit Einkaufen beschäftigt war. Als er sich versichert hatte, dass ihr nichts geschehen war, ging Daniel ohne Umwege zu ihrem Mercury Marquis.
Als er im Auto saß, ließ er die Fenster herunter, um die Backofenhitze herauszulassen, die während seines kurzen Aufenthalts im Laden entstanden war. Er seufzte. Es tat gut, jetzt in dem vertrauten Mietwagen zu sitzen. Daniel drehte den Rückspiegel in seine Richtung und untersuchte sein Gesicht noch einmal etwas gründlicher. Besonders das rechte Auge machte ihm Sorgen. Es war jetzt praktisch ganz zugeschwollen. Trotzdem konnte er erkennen, dass die Hornhaut klar war und dass kein Blut in die Vorderkammer eingedrungen war. Allerdings waren auf der Lederhaut etliche kapillare Blutgerinnsel feststellbar. Er hatte als Assistenzarzt eine Zeit lang in der Notaufnahme gearbeitet und kannte in etwa die möglichen Folgen eines Gesichtstraumas, besonders die so genannte Orbita-Fraktur, die ein Zurückweichen des Augapfels in die Augenhöhle zur Folge hat. Um sich zu versichern, dass das nicht der Fall war, probierte er, ob er doppelt sah, vor allem, wenn er nach oben und unten schaute. Gott sei Dank war das nicht der Fall. Also brachte er den Rückspiegel wieder in die richtige Position und lehnte sich zurück, um auf Stephanie zu warten.
Nach etwa einer Viertelstunde kam Stephanie mit etlichen Einkaufstaschen bepackt aus dem Bekleidungsgeschäft. Sie legte die Hand zum Schutz vor der Sonne über die Augen und blickte zu Daniel herüber. Er streckte die Hand zum Fenster hinaus und winkte ihr zu. Sie winkte zurück und lief auf ihn zu. Er betrachtete sie. Jetzt, wo er ein paar Minuten Zeit gehabt hatte, über den Überfall und seine Hintergründe nachzudenken, hatte sich seine Stimmung von Angst in Wut verwandelt, wovon ein Großteil auf Stephanie und ihre wahnsinnige Familie gerichtet war. Zwar waren seine Kniescheiben noch heil, aber das gesamte Vorgehen roch doch sehr verdächtig nach Mafia. Deshalb hatte er sofort an Stephanies angeklagten Bruder gedacht. Wer die Castiglianos sein mochten, das wusste er nicht, aber er gedachte es herauszufinden.
Stephanie riss als Erstes die hintere Tür auf der Beifahrerseite auf und warf ihre Einkäufe auf die Rückbank.
»Was hast du alles gekriegt?«, fragte sie glückselig. »Also, ich muss sagen, bei mir ist es besser gelaufen als erwartet.« Sie knallte die Tür wieder zu und stieg dann vorne ein, wobei sie weiter über ihre Einkäufe plapperte. Dann klappte sie die Tür zu und griff nach dem Sicherheitsgurt. Erst jetzt schaute sie Daniel an. Sie brach mitten im Satz ab. »Mein Gott! Was ist denn mit deinem Auge los?«, platzte sie heraus.
»Schön, dass du es bemerkt hast«, sagte Daniel bissig. »Ich bin zusammengeschlagen worden, wie du siehst. Aber bevor wir uns gleich mit den unappetitlichen Einzelheiten befassen, habe ich noch eine Frage: Wer sind die Castigliano-Brüder?«
Stephanie starrte Daniel an und nahm dabei nicht nur das geschwollene Auge wahr, sondern auch die rote Schwellung auf seiner Wange und die blutigen Krusten an den Rändern seiner Nasenlöcher. Sie hätte ihm gerne mitfühlend die Hand entgegengestreckt und ihn tröstend gestreichelt, aber sie hielt sich zurück. Seine Wut war auch in dem einen Auge deutlich zu erkennen, genauso wie in seinem Tonfall. Abgesehen davon war sie durch die Nennung des Namens Castigliano und durch die logische Schlussfolgerung, die sich daraus ergab, im Augenblick vollkommen bewegungsunfähig. Sie blickte auf ihre Hände, die wie gelähmt in ihrem Schoß lagen.
»Gibt es da vielleicht noch eine winzige Kleinigkeit, über die du nicht mit mir sprechen wolltest?«, fuhr Daniel in unverändert sarkastischem Ton fort. »Ich meine, abgesehen davon, dass dein Bruder, nachdem er sein Geld bei uns investiert hat, ein Verfahren wegen Verstrickung in irgendwelche kriminellen Machenschaften an den Hals bekommen hat. Ich wiederhole: Wer, zum Teufel, sind die Castigliano-Brüder?«
Die Gedanken in Stephanies Kopf jagten sich. Es stimmte, sie hatte ihm nicht gesagt, dass ihr Bruder die Hälfte seines Geldes anderswo besorgt hatte. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass sie nicht offener gewesen war, zumal diese Mitteilung auch sie selbst erschüttert hatte. Sie hatte zweimal an derselben Stelle versagt und fühlte sich jetzt wie eine Diebin, die zum zweiten Mal beim selben Vergehen ertappt wird.
»Ich
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