Die Operation
dass er es gewesen war, weil er noch einmal zurückgegangen war, um seinen Geldbeutel zu holen. Er erinnerte sich genau daran, dass er die Tür abgeschlossen und sogar den Sicherungsbolzen vorgelegt hatte.
Das Geräusch der sich öffnenden und wieder ins Schloss fallenden Haustür drang durch das Treppenhaus nach oben, zusammen mit dem Klang von Stephanies Schritten auf den quietschenden, betagten Treppenstufen. Davon abgesehen war es still im Haus. Die Bewohner des ersten Stocks waren auf einem Karibik-Urlaub, und im zweiten Stock war tagsüber nie jemand zu Hause. Dort wohnte ein Mathematiker, der nur zum Schlafen nach Hause kam und ansonsten durch das ComputerZentrum des Massachusetts Institute of Technology geisterte.
Vorsichtig stieß Daniel die Tür auf, um mehr vom Wohnungsflur ins Blickfeld zu bekommen. Jetzt konnte er bis ins Wohnzimmer sehen. Die Sonne näherte sich bereits dem südwestlichen Horizont und das Apartment lag im Schatten. Auf einmal bemerkte er den Strahl einer Taschenlampe, der über die Wand des Wohnzimmers huschte. Zugleich hörte er eine Schublade seines Aktenschranks zuschnappen.
»Wer ist da, verdammt nochmal?«, brüllte Daniel so laut er konnte. Er war wütend darüber, dass jemand in seiner Wohnung war, aber er war kein Draufgänger. Zwar war der Eindringling offensichtlich durch die Wohnungstür hereingekommen, aber Daniel ging davon aus, dass er die Wohnung bereits durchsucht hatte und daher den Hinterausgang kannte, der vom Arbeitszimmer auf die Feuerleiter führte. Als Daniel nun sein Handy hervorholte, um die 911 zu wählen, war er fest davon überzeugt, dass der Einbrecher sich auf diesem Weg aus dem Staub machen würde.
Umso größer war der Schock, als plötzlich jemand in seinem Blickfeld auftauchte und ihn mit einer Taschenlampe blendete. Daniel versuchte, sich die Hand vor die Augen zu halten. Das gelang ihm zwar nicht ganz, aber zumindest erkannte er, dass der Mann in vollem Lauf auf ihn zugerannt kam. Noch bevor er reagieren konnte, wurde er von einer behandschuhten Hand grob beiseite gestoßen, so heftig, dass er gegen die Wand knallte. Die Erschütterung dröhnte in seinen Ohren. Nachdem er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sah Daniel einen groß gewachsenen Mann in einem eng anliegenden, schwarzen Anzug mit schwarzer Skimaske, der schnell und leise die Treppe hinunterrannte. Noch ein schriller Schrei von Stephanie, dann wurde die Haustür unten aufgerissen und krachte wieder ins Schloss.
Daniel stürzte zum Geländer und schaute hinunter. Einen Absatz weiter unten hatte sich Stephanie mit dem Rücken gegen die Tür des Mathematikers gedrückt. Den Laptop hielt sie mit beiden Armen an die Brust gepresst. Sie war kreidebleich im Gesicht. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Wer, zum Teufel, war das denn?«, wollte sie wissen.
»Ein gottverdammter Einbrecher«, antwortete Daniel. Er drehte sich um und untersuchte die Tür. Stephanie stieg die letzten Stufen zu ihm herauf und schaute ihm über die Schulter.
»Zumindest hat er die Tür nicht aufgebrochen«, sagte Daniel. »Er muss einen Schlüssel gehabt haben.«
»Bist du sicher, dass sie abgeschlossen war?«
»Hundertprozentig! Ich weiß sogar noch genau, dass ich den Sicherungsbolzen vorgelegt habe.«
»Wer hat sonst noch einen Schlüssel?«
»Niemand«, sagte Daniel. »Es gibt nur zwei. Als ich die Wohnung gekauft habe, habe ich die Schlösser ausgetauscht und nur diese beiden machen lassen.«
»Dann muss er mit einem Dietrich aufgeschlossen haben.«
»Dann kann es nur ein Profi gewesen sein. Aber warum sollte ein Profi bei mir einbrechen wollen? Ich habe doch überhaupt keine Wertgegenstände.«
»O nein!«, schrie Stephanie plötzlich. »Ich habe meinen ganzen Schmuck auf der Kommode liegen lassen. Und die diamantene Uhr meiner Großmuter.« Sie rannte an Daniel vorbei ins Schlafzimmer.
Daniel ging ihr nach. »Da fällt mir ein: Ich habe dummerweise das ganze Bargeld, das ich gestern Abend noch aus dem Automaten geholt habe, auf dem Schreibtisch liegen lassen.«
Daniel huschte ins Arbeitszimmer. Doch zu seinem Erstaunen lag das Geld genau dort, wo er es hingelegt hatte, mitten auf seiner Arbeitsmappe. Er nahm es in die Hand und stellte dabei fest, dass alle übrigen Gegenstände auf seinem Schreibtisch anders lagen als vorher. Daniel war, das gab er auch offen zu, nicht gerade ein Ordnungsfanatiker, aber er war außerordentlich gut organisiert. Auch wenn sich auf seinem Schreibtisch Briefe,
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