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Die Opfer des Inzests

Die Opfer des Inzests

Titel: Die Opfer des Inzests Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Schweighoffer
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Schlägen
schützen. Oft mußten wir uns unter den Tischen verstecken oder auf die Straße
flüchten, um diesem Wahnsinn zu entkommen.
    Zeitweise ging alles gut.
Beispielsweise als mein Vater mir das Radfahren beibrachte. Und als Schwester
Jeanne uns in ein Ferienlager in Accous in den Pyrenäen mitnahm. Frische Luft.
Dort konnten wir endlich richtige Kinder sein. Auch tröstete mich die enge
Verbundenheit mit meinem Bruder Julien sehr. Wir zogen in die Nähe einer
Mietskasernensiedlung. Dort gab es viele Kinder. Ich entdeckte den Fußball!
Auch das brachte mir ein wenig Glück.
    An manchen Abenden schleppte mein Vater
Julien und mich mit in die Kneipe. Ein merkwürdiger Zeitvertreib für Kinder!
Aber ich beklagte mich nicht, weil das für mich seltene Gelegenheiten waren,
die Welt kennenzulernen. Meine Schwester und mein kleiner Bruder hatten weniger
Glück: Da mein Vater sie als nicht präsentabel betrachtete, ließ er sie zu
Hause. Er verheimlichte sogar ihre Existenz vor seinen Kneipenfreunden.
    Eines Tages, an einem Spätnachmittag im
Sommer, machte mein Vater den Vorschlag, mit uns auf den Jahrmarkt von Dax zu
gehen. Wir legten die zwei Kilometer fröhlich zu Fuß zurück. Wir hielten uns an
den Händen wie eine glückliche Familie. Wir waren hübsch angezogen. In der Feme
war Musik zu hören. Es war das erste Mal, daß wir auf ein Fest gingen. Ich muß
damals 13 gewesen sein.
    Wir konnten nicht Karussell fahren, da
unsere Eltern kein Geld hatten, aber das war egal, wir waren glücklich.
Trotzdem fragte ich mich immer wieder, ob mein Vater uns nicht stehenlassen
würde, um mit seinen Freunden einen trinken zu gehen, ob er nicht einen Vorwand
finden würde, nach Hause zu gehen und uns den Spaß zu verderben. Nein, er trank
reichlich, blieb aber bei uns.
    Wir bummelten lange zwischen den Buden
umher. Wir sahen uns ein Fahrradrennen an. Wir waren alle sportbegeistert. Vor
allem mein Vater, der früher Gewichtheber gewesen und entsprechend muskulös
war.
    Irgendwann im Laufe des Abends stand
ich etwas abseits von den anderen. Mein Vater kam zu mir und sagte, er würde
mich nach Hause bringen. Ich fragte mich, was ich falsch gemacht hatte. Aber er
schimpfte nicht. Er verlangte lediglich von mir, ich solle meiner Mutter sagen,
ich sei müde. Wozu diese Lüge? Ich verstand es nicht, aber ich kannte seine
Launenhaftigkeit und wußte, daß es besser war zu gehorchen. Mama war ebenfalls
überrascht. Sie war sein autoritäres Verhalten jedoch gewohnt und ließ uns
vorgehen.
    Auf dem Heimweg sprachen wir kein Wort.
Ich war enttäuscht, den Jahrmarkt verlassen zu müssen. Und vor allem hatte ich
große Angst. Mein Vater war so schrecklich betrunken. Als wir zu Hause eintrafen,
sagte er nur:
    ›Warte auf mich, ehe du raufgehst.‹
    Ich zog die Schuhe aus und schlüpfte in
meine Pantoffeln. Jetzt hatte ich richtig Angst. Ich stieg in den ersten Stock
hinauf, gefolgt von meinem Vater.
    ›Nicht in dein Zimmer, in meins!‹
befahl er.
    Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich
war sicher, daß er mich schlagen würde, aber warum mußten wir dazu in sein
Zimmer?
    ›Geh auf die andere Seite vom Bett und
leg dich hin! Hör auf zu zittern. Wir werden uns nur unterhalten‹, versicherte
er mir, als er sich neben mir ausstreckte.
    Er legte sich also zu mir und fing
tatsächlich an zu reden. Er erklärte mir, auf welche Weise ein Mann eine Frau
streichle, was eine Frau mit dem Geschlecht eines Mannes zu tun habe. Ich lag
wie erstarrt auf dem Bett, die Hände feucht vor Nervosität. Ich hörte ihm nicht
mehr zu. Ich sagte mir immer wieder: ›Mama, Mama, komm schnell heim! Was machst
du denn so lange. Beeil dich. Komm schnell!‹ Als hätte er meine Gedanken
erraten, sagte mein Vater:
    ›Sprich ja nicht mit deiner Mutter über
unsere Unterhaltung, sonst...‹
    Er hielt mir drohend die Faust vor das
Gesicht.
    Ein Geräusch an der Haustür. Die ganze
Familie war zurück. Puh! Ich atmete auf. Mein Vater murmelte: ›Wir werden diese
Unterhaltung fortführen. Lauf und leg dich schlafen. Und sei leise!‹
    Meine Mutter kam zu mir.
    ›Alles in Ordnung?‹
    Ich beruhigte sie, fragte mich aber, ob
ich ihr oder sonst jemandem alles erzählen oder den Vorfall für mich behalten
sollte. Ich machte die ganze Nacht kein Auge zu. Ich hatte sogar Angst, nach
unten auf die Toilette zu gehen. Und so waren am Morgen meine Laken naß, und
ein durchdringender Gestank hing in der Luft. Ich schämte mich und fühlte mich
elend.
    Mein Vater war zur Arbeit

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