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Die Opferstaette

Die Opferstaette

Titel: Die Opferstaette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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»Fahren Sie näher ran.«
    Ich gab ihm die Lampe zurück, er manövrierte das Boot bis auf zehn Meter an die Klippen heran und stellte es parallel zu ihnen.
    »Ich würde sagen, das ist tatsächlich eine Höhle«, sagte er. »Noch näher will ich nicht heran – ich bin sowieso schon zu nah an den Felsen. Außerdem schwimmen hier ein paar Markierungsbojen herum.« Er schwenkte den Strahl in einem Kreis zwischen Boot und Klippe. Ich sah mehrere helle Kugeln nicht weit entfernt. »Gus Carmodys Hummerkörbe. Die Leinen werden jetzt schlaff auf dem Wasser liegen, und der Propeller könnte sich leicht darin verfangen. Ein paar Meter unter uns liegt bis zum Kliff eine von den Wellen geformte Plattform, es hat also keinen Sinn, eine Leine nach unten abzusetzen – Sie werden nahe an der Oberfläche sein, sobald Sie aus der Höhle herauskommen – wenn es denn eine ist. Falls sie sich in mehrere Richtungen verzweigt, lassen Sie sich nicht zu einer Erkundung verleiten. Sie bräuchten eine Spule Schnur, um den Rückweg zu finden.«

    Ich setzte mich mit dem Rücken zum Wasser auf den Bootsrand und schaltete meine Tauchlampe ein.
    »Lassen Sie die Lampe an, wenn Sie nach oben kommen«, sagte er. »Sie müssten das Boot dann sehen. Aber ich werde sowieso nach Ihnen Ausschau halten.«
    Ich steckte mir das Mundstück in den Mund und blies die Auftriebsweste ein wenig auf, dann legte ich die Hand flach über Maske und Atemschlauch und ließ mich rückwärts ins Wasser fallen. Sobald ich untergetaucht war, begann ich zu atmen und achtete nicht auf den anfänglichen Kälteschock – ich hatte genug zu überlegen. Ich tauchte auf und drehte mich, bis ich genau auf die Klippe schaute. Dann ließ ich nach einer raschen Überprüfung meiner Anzeigen Luft aus der Weste, richtete den Lampenstrahl auf die Felswand und sank senkrecht in Richtung der pulsierenden Dunkelheit der Höhlenöffnung, bemüht, nicht daran zu denken, was dort oder in dem vierzig Meter tiefen Tal hinter mir lauern mochte.
    Und dennoch wurde ich, wie es unter Wasser so häufig der Fall ist, von kleinen Dingen abgelenkt, die genau vor mir passierten. Direkt vor meiner Brille trieb ein Trio Seestachelbeeren, fragilen Glasornamenten ähnlich, in denen jeweils elektrischer Strom in allen Farben des Spektrums pulsierte. Dahinter waren Simse an der Felswand mit Teppichen rosaroter Algen bedeckt, aus denen lila Perlen leuchteten – die Fühler von Korallenanemonen, die sich von dem Plankton nährten, der wie feiner Schnee um mich herum wirbelte. Dann bemerkte ich eine Reihe von Spalten, die von roten Funken gesäumt wurden. Ich hielt in meinem Abstieg kurz inne und entdeckte, dass es die Augen zahlloser Krabben waren, die aus ihren Verstecken schauten und die das Licht meiner Lampe reflektierten.

    Aber ich wusste, dass ich auf all diese Dinge rings um mich achtete, weil ich das Unvermeidliche hinauszögern wollte: den Vorhang aus Riementang aufzuziehen, um zu sehen, was dahinter lag.
    Ich hatte gehofft, der Tangwald würde sich bereits ein wenig ausgedünnt haben, wie es im Herbst immer geschieht, und obwohl er wahrscheinlich tatsächlich nicht mehr so dicht war wie sonst, bildete er immer noch eine wirksame Sperre vor dem Eingang, den ich nun auf drei Meter im Durchmesser schätzte. Als ich beobachtete, wie die olivgrünen Behänge in die Öffnung gesaugt und wieder hinausgedrückt wurden, sah ich, dass sie sowohl am oberen als auch am unteren Rand des Höhleneingangs befestigt waren. Das bedeutete, es musste ein Stück über dem unteren Rand eine Art Lücke zwischen ihnen geben.
    Während ich zu dieser erhofften Lücke sank, kam mir eins der Tangbänder, das sich vom Fels gelöst hatte, mit gewundenen Bewegungen entgegen. Ich zuckte instinktiv zurück, da mir die Bewegung zu lebhaft erschien. Ein Conger-Aal strömte an meiner Taucherbrille vorbei und fixierte mich mit einem seiner schwarz-weißen Puppenaugen. Plötzlich machte er kehrt, um mich anzusehen, und ich konnte den ganzen torpedoförmigen Körper hinter dem spitzen Kopf sehen, die mächtigen, halb geöffneten Kiefer mit ihren sägeblattähnlichen Zahnreihen.
    Ich hatte einmal gehört, dass diese nächtlichen Räuber aggressiv auf helles Licht reagieren. Deshalb schaltete ich meine Taschenlampe aus, sodass wir uns beide schlagartig im Dunkeln befanden. Und obwohl es sinnlos war, schloss ich die Augen. Ich wartete etwa zehn Sekunden, während mein Herz pochte wie ein Schiffsmotor, dann schaltete ich das Licht

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