Die Opferstaette
wieder ein. Der Conger war verschwunden.
Der Riementang rollte sich nun ein und aus wie die langen Bänder chinesischer Akrobaten. Die Flut drückte herein. Es war Zeit, dass ich in die Höhle kam.
31
W ährend ich gleichmäßig atmete, schlug ich mit den Flossen auf und ab und steuerte auf eine scheinbare Lücke in den hin und her wogenden Blättern zu. Doch wie sich herausstellte, hing dahinter noch ein dichter Baldachin aus Seegras von der Decke der Höhle, den ich beiseite schieben musste, um weiter hineinzukommen. Dann – es dauerte nur Sekunden, erschien mir jedoch wesentlich länger – war ich in offenem Wasser und schwamm einen breiten Kanal mit flacher Decke und ansteigendem Felsboden entlang. Als ich gerade dachte, die beiden würden sich weiter vorn treffen, und mich so nah wie möglich über dem Boden bewegte, tauchte mein Kopf plötzlich aus dem Wasser, während das Dach der Höhle gleichzeitig höher anstieg. Ich nahm den Atemschlauch aus dem Mund und leuchtete mit der Taschenlampe nach oben. Über mir erhob sich ein natürlicher Felsbogen wie das Gewölbe eines romanischen Bauwerks. Er war besetzt von Anemonen, grün, rot und gelb, wie Glühbirnen, die darauf warten, angeschaltet zu werden. Hinter dem Bogen verlor sich die Decke der Höhle in der Dunkelheit, der Boden stieg immer höher, und der Strahl der Lampe hob vereinzelte Felsen auf der Rückseite der Höhle hervor.
Ich zog Taucherbrille und Schnorchel nach unten um den Hals, kroch aus dem Wasser und stand auf. Hinter dem Bogen gab es kein Anzeichen von Leben – das Licht drang nicht so weit vor. Aber Wände und Decke glänzten vor Feuchtigkeit,
und man sah, dass ich auf jeden Fall noch im Bereich von Ebbe und Flut stand. Ich zog die Flossen aus und trug sie die Schräge hinauf. Boden und Dach der Höhle schienen beinahe parallel anzusteigen, und die Decke war nirgendwo höher als drei Meter.
Ich hatte einen Punkt erreicht, an dem ich den hinteren Teil der Höhle ausmachen konnte, als mir etwas über meinem Kopf ins Auge sprang. Die Decke bestand aus großen Felsblöcken, die aussahen, als wären sie nahtlos zusammengefügt und dann geglättet worden, sodass die Oberfläche erstaunlich eben war. Keine menschliche Hand hatte jedoch an der Konstruktion mitgewirkt. Dagegen schien ein etwa einen Meter langes Muster, das in einen der Felsen gemeißelt war, menschlichen Ursprungs zu sein. Es sah aus wie das Rückgrat eines Fischs, aus dem in unregelmäßigem Abstand Rippen ragten. Die Wirbelsäule schien ursprünglich ein natürlicher Riss im Gestein zu sein. Mein Herz setzte für einen Schlag aus, als ich erkannte, dass es sich um Ogam handelte, eine antike Form der Schrift. Einige der Markierungen waren eingemeißelt worden, andere jedoch waren kleine Sprünge, die später aufgetreten waren und jeden Entzifferungsversuch von Haus aus schwierig machten. Man hätte sie zeichnen und fotografieren müssen, um eine Interpretation zu wagen. Wahrscheinlich war es etwas Einfaches wie ein Name. Ein Streifen Ogam konnte nicht viele Information übermitteln.
In den nächsten Abschnitt der Decke war ein Kreuz eingemeißelt. Alle Arme waren gleich lang und endeten in einer Art Knauf wie bei dem Kreuz auf George’s Head. Jedes dieser Enden enthielt ein verschlungenes Muster ähnlich der Triquetra auf dem Motivstück, das ich auf Bishop’s Island gefunden hatte, von den Umrissen her viel deutlicher als bei den Exemplaren von George’s Head. Noch bedeutender war,
dass eine kleine runde Scheibe in die Mitte des Kreuzes geschnitten war, dort wo sich die Arme trafen – sie spiegelte das Loch im Kreuz auf George’s Head wider. In einem der durch die Kreuzarme bestimmten Quadranten waren die Buchstaben DNE in den Fels gemeißelt.
Ohne Zweifel war diese Höhle die dritte religiöse Stätte, auf die durch die Abbildung auf dem Motivstück hingewiesen wurde. Vermutlich handelte es sich um die Felsenhöhle eines Einsiedlermönchs, möglicherweise des Gründers der Klostergemeinschaft, der sich in späteren Jahren zum Rückzug entschieden hatte, um ein Leben in Gebet und Kontemplation zu führen.
Ich ließ den Lampenstrahl über den Rest der Decke wandern, sah jedoch keine weiteren Markierungen. Aber an der rückwärtigen Wand der Höhle stand etwas geschrieben. Um es besser sehen zu können, ließ ich meine Flossen auf den Boden fallen und kletterte über einige größere Steine. Die Wand enthielt eine Reihe dunklerer Vertiefungen; die Inschrift befand sich
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