Die Opferung
sagte ich. Trotzdem zog er eine der Holzkisten zu sich, auf die er klettern konnte, um den altmodischen Riegel am Dachfenster zu erreichen. Zweioder dreimal musste er mit dem Handballen gegen das Dachfenster schlagen, dann sprang es tatsächlich auf. Er öffnete es, so weit es ging, und befestigte es dann an einer rostigen Stange.
»Hier riecht es anders«, meinte er, während er seinen Kopf durch das Dachfenster steckte und mit der Taschenlampe den Raum dahinter beleuchtete. Auch wenn Harry mir die meiste Sicht nahm, konnte ich genug erkennen, um den Eindruck zu gewinnen, dass jemand ohne große Erfahrung im Mauern in aller Eile das Dach zugemauert hatte.
»Die alten Dachziegel sind noch hier«, rief Harry mir zu. »Mir fällt ums Verrecken keine Erklärung ein, warum jemand dieses Stück abgetrennt hat. Scheint einfach keinen Sinn zu ergeben.«
»Ein Schlafzimmerfenster ist ebenfalls zugemauert worden.«
»Ach, verdammt«, sagte Harry. »Ich schätze, wir müssen noch mal ganz von vorne anfangen.«
Er wollte gerade von der Kiste heruntersteigen, als er plötzlich seine Taschenlampe fallen ließ. Sie schlug auf dem Boden auf, ging aber nicht aus. Stattdessen traf ihr Strahl auf die verstaubte Oberfläche eines Spiegels, der das Licht reflektierte und eine Ecke des Dachbodens unheimlich erhellte.
Ich wollte gerade zu ihm gehen und die Taschenlampe aufheben, als er ein ungewöhnliches Geräusch machte, als zerreiße man ein Stück Stoff. Ich sah nach oben und entdeckte zu meinem Entsetzen, dass sich seine Haare verfangen hatten und er erfolglos versuchte, sich zu befreien. Er drehte sich und trat mit einem Bein um sich, woraufhin die Kiste, auf der er stand, ins Wanken geriet und geräuschvoll umkippte.
»Harry!«, schrie ich und versuchte, seine Beine zu fassen und ihn zu stützen.
Mit aufgerissenem Mund starrte er mich an, aber es schien, als könne er nichts sagen.
»Harry? Was ist los?«, fragte ich ihn. Ich bekam sein linkes Bein zu fassen, während er wie verrückt mit dem rechten zappelte. »Versuchen Sie, sich nicht zu bewegen!«
Harrys Kopf wurde hin-und hergerissen, seine Stirn schlug mit großer Wucht gegen den Rahmen. Ich sah Platzwunden und Blut. Dann hörte ich wieder das Geräusch von reißendem Stoff, und im gleichen Moment spannte sich Harrys Gesicht an, seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen, seine Nasenlöcher weiteten sich, seine Oberlippe klappte auf groteske Weise nach oben.
»Harry!«, schrie ich außer mir.
Seine Gesichtshaut wurde immer weiter nach oben gezogen, bis er mich schließlich mit einem verzerrten Ausdruck und einem monströsen hämischen Grinsen anstarrte.
Wieder war das durchdringende Krachen und Reißen zu hören, und plötzlich verstand ich, woher es kam. Harrys Haut
wurde nach und nach von seinem Schädel gerissen. Das Krachen stammte vom Fettgewebe und von Knorpeln, die von den Knochen gezerrt wurden. Und das Reißen stammte von den Haarwurzeln.
Ich bekam sein anderes Bein zu fassen und konnte ihn stabilisieren. Langsam zog ich ihn nach unten, um ihn von dem zu befreien, was ihn im Griff hatte. Er schrie aber so gellend, dass ich nicht anders konnte, als ihn loszulassen. Die Haut wurde ihm vom Kopf gerissen, so wie von einem rohen Hühnchen, und ich konnte nichts dagegen machen.
»Liz!«, schrie ich. »Liz!«, Aber sie war draußen im Garten und konnte mich unmöglich hören. In Panik stellte ich die Kiste wieder auf, auf der Harry gestanden hatte, und nahm sein ganzes Gewicht in meine Arme. Er zappelte so heftig, dass ich nicht sehen konnte, was hinter dem Dachfenster vor sich ging. Ich konnte nicht erkennen, was ihn festhielt und wie seine Haut von seinem Schädel gerissen wurde. Dann aber machte er eine heftige Bewegung nach vorne. Klebriges und heißes Blut regnete auf mich herab, doch in dem roten Dickicht seiner Haare sah ich drei geschwungene schwarze Krallen, die wie Klingen glänzten. Sie hatten sich durch seine Kopfhaut gebohrt und dann seinen Skalp immer und immer wieder gedreht, sodass seine Haut von seinem Gesicht gezogen wurde.
»Harry, halten Sie durch«, flehte ich ihn an.
Er starrte mich mit blutunterlaufenen Augen an. Seine Haut war am Kinn aufgerissen, und plötzlich rutschte seine Zunge hinter der losgelösten Haut nach unten und glitt durch die blutige Öffnung unter seine Unterlippe. Es sah so aus, als hätte er auf einmal zwei Münder. Dann schob sich sein ganzes Gesicht mit einem zähen Geräusch nach oben, so wie ein blutiger
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