Die Orks 02 - Der Schwur der Orks
Verzweiflung.
»Das Risiko müssen wir eingehen«, meinte Rammar achselzuckend – seiner Ansicht nach hielt sich der Spaß, den man hatte, wenn man enthauptet wurde und einem der Kopf auf einen Pfahl gesteckt wurde, in Grenzen. Lieber wollte er zunächst abwarten und, falls den Menschen etwas zustieß, die Flucht ergreifen …
»Dann gehe ich mit!« Balboks Unterlippe stülpte sich trotzig über die obere.
»Nichts da, du bleibst!«, blaffte Rammar – nicht, weil er um das Leben seines Bruders fürchtete, sondern weil er unter keinen Umständen mit Ankluas allein sein wollte.
Schließlich konnte man nie wissen, wozu ein ochgurash die Lage nutzte …
Nestor und Gurn warteten, bis die Dunkelheit über der schwarzen Felsenwüste hereingebrochen war und sich der Himmel über dem Anar erneut in feuriges Orange hüllte, dann brachen sie auf.
Ankluas schärfte ihnen ein, sich möglichst unauffällig zu verhalten; auf einen Kampf sollten sie sich nur einlassen, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Rammar fügte hinzu, dass sie, sollte man sie gefangen nehmen, den Aufenthaltsort ihrer Gefährten auf keinen Fall verraten dürften – denn damit, argumentierte der dicke Ork, würden sie sich jede Aussicht auf Befreiung nehmen. Man vereinbarte eine Frist von vier Tagen; sollten Nestor und Gurn sich innerhalb dieser Zeit nicht zurückgemeldet haben, würden die Orks nach Kal Anar aufbrechen, um nach ihnen zu suchen.
In Wirklichkeit dachte Rammar natürlich nicht daran. Wenn Nestor und Gurn tatsächlich geschnappt wurden, dann war das ein untrügliches Zeichen dafür, dass man Fremden in der Stadt nicht wohlgesonnen war, und in diesem Fall würde sich Rammar schleunigst in Richtung Westen absetzen …
Im Schutz der Dunkelheit zogen der Attentäter und der Eisbarbar den fernen Mauern der Stadt entgegen, die ebenso schwarz waren wie das Gestein der Landschaft ringsum. Das glutige Leuchten des Vulkans tauchte die Zinnen in feurigen Schein, ebenso wie die spitzen Dächer. Am hellsten jedoch leuchtete der Schlangenturm, der alle anderen Gebäude der Stadt weit überragte und von dem – obwohl im Gegensatz zum Rest der Stadt aus weißem Stein errichtet – jene dunkle Macht auszugehen schien, die Erdwelt bedrohte.
Jeden Felsen und jede Verwerfung als Deckung nutzend, pirschten sich Gurn und Nestor an die Stadtmauer heran. Wie sie feststellten, hatte die Mauer nicht nur keine Türme, sondern auch keine Tore. Stattdessen führten Tunnel, die in den schwarzen Fels des Anar geschlagen waren, unter dem wulstigen Bollwerk hindurch, das die Stadt wie eine schlafende Schlange umgab.
Die Tunneleingänge – auf der Westseite gab es zwei davon – waren gut gesichert. Nicht nur, dass jeder mit einem doppelten Fallgitter verschlossen war, sie wurden auch von jeweils fünf Soldaten bewachten. Erneut sahen Nestor und Gurn jene fremdartig aussehenden Krieger, an deren breiten Gürteln gefährlich aussehende Schwerter mit breiten gebogenen Klingen hingen. Nestor bezweifelte nicht, dass ein Hieb damit genügte, um einem Feind den Kopf von den Schultern zu schlagen, also zog er es vor, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen, zumal Ankluas ihnen dazu geraten hatte.
Stattdessen beschlossen die beiden, ein Stück hangaufwärts ihr Glück zu versuchen. Dort, wo das Gelände unzugänglicher war, waren die Mauer auch weniger gut bewacht – dort musste es ihnen gelingen, ungesehen in die Stadt zu gelangen.
Der Aufstieg war eine wahre Tortur, nicht nur der Hitze wegen, die auch nachts nicht nachließ, und wegen der schwefligen Dämpfe, die über den Hängen des Vulkans lagen, sondern auch deshalb, weil die beiden stets darauf achten mussten, von der Mauer aus nicht gesehen zu werden. Zwar durchdrang kein Mondlicht die dicken Wolken aus Rauch und Qualm, aber das Leuchten aus dem Schlund des Anar sorgte für ein trügerisches Zwielicht an den Hängen.
Mehrmals, wenn die Posten auf den Mauern einander etwas zuriefen, suchten die beiden schleunigst Deckung. Mit pochendem Herzen warteten sie dann ab, ob der Ruf ihnen gegolten hatte, aber sie hatten jedes Mal Glück. Dennoch blieben sie vorsichtig. Da sie die Sprache der Wächter nicht verstanden, klang jedes Wort für sie bedrohlich.
In gebückter Haltung pirschten die beiden weiter. Hinter einem Felsblock fanden sie erneut Zuflucht, nur noch zwanzig Schritte von der Mauer entfernt. Unterhalb der dreieckigen Zinnen war das Bollwerk mit großen, nach unten gebogenen Eisendornen versehen,
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