Die Orks - Blutrache - Roman
zog Jup sein Messer und hockte sich ans Wasser. Er grub ein Loch, und als es groß genug war, steckte er die Hand hinein.
»Was macht er da?«, fragte Wheam.
»Die Magie zeigt sich verschiedenen Rassen auf verschiedene Weise«, erklärte Stryke. »Bei den Zwergen ist es die Fernsicht.«
Wheam verstand es nicht. »Fernsicht?«
»Dinge spüren, die außerhalb der Reichweite von Augen oder Ohren liegen.«
»Sehr praktisch beim Fährtenlesen«, fügte Coilla hinzu.
»Die Kraft der Magie lebt in der Erde«, fuhr Stryke fort, »und in der Nähe von Gewässern ist sie besonders stark. Den Grund weiß ich nicht. Zwerge, die die Fernsicht beherrschen, können jedenfalls die Stärke und den Fluss der Energie spüren.«
»Wie zeigt sich die Magie bei den Orks?«, wollte Pepperdyne wissen.
»Überhaupt nicht. Wir besitzen keine Magie. So wenig wie die Menschen.«
»Wenn es in dieser Welt also nur Orks und Menschen gibt, dann praktiziert auch niemand Magie?«
»Das ist richtig.« Stryke ließ Seraphim, der auch unter den Menschen als große Ausnahme galt, ebenso unerwähnt wie die Möglichkeit, dass sich Jennesta in dieser Welt aufhielt. Er sah keinen Grund, Pepperdyne
und seinem Herrn mehr zu verraten als unbedingt nötig.
Jup kam zurück und schüttelte den Dreck von den Händen. »Ich hatte recht. Hier fließt magische Energie, und sie ist sogar stark. Rein. Ich würde sagen, dass es nicht weit entfernt eine große Konzentration gibt, und der Magiestrom verläuft nach Süden.«
»Nach Taress?«, fragte Stryke erstaunt.
»So muss es wohl sein.«
»Wir sollten aufbrechen.«
Wheam schob sich nach vorn. Irgendwie hatte seine geliebte Laute alle Fährnisse überstanden. Er schwenkte sie. »Vielleicht ein Lied, bevor wir aufbrechen? Damit wir federnden Schritts dahin wandeln?« Der Gesichtsausdruck der anderen entging ihm nicht. »Vielleicht eine kleine Melodie? Etwas Aufmunterndes, damit wir …«
»Wenn du das tust«, sagte Haskeer, »dann bringe ich dich um.«
»Auf die Beine, Vielfraße«, rief Stryke. »Abmarsch!«
Der alte Schäfer sollte recht behalten. Sie trafen zur Stunde des Sonnenuntergangs an ihrem Ziel ein.
Von einer Hügelkuppe aus schaute die Truppe auf die Siedlung hinunter, überrascht von deren Größe. Ein weites Gebiet war mit Häusern bebaut, zwischen denen Gassen, Straßen und verwinkelte Wege verliefen. Zum Zentrum hin waren die Gebäude größer, einige Türme erhoben sich dort, und wohl auch etwas, das eine Festungsanlage sein mochte. Obwohl es schon dämmerte, waren nur wenig Lichter zu sehen.
Sie versteckten die Waffen unter der Kleidung und stiegen hinab.
Ohne irgendjemandem begegnet zu sein, erreichten sie die Ausläufer der Ansiedlung. Auf einer breiten gepflasterten Straße näherten sie sich den ersten Häusern. Sie wirkten schäbig, und von den Bewohnern war nichts zu sehen.
»Hier leben Orks?«, fragte Coilla.
»Kommt mir eher so vor, als lebe hier überhaupt keiner«, erwiderte Stryke.
Sie drangen in das Straßenlabyrinth ein. Alle Türen waren verschlossen, die Fensterläden zugeklappt. Nirgends ein Licht.
»Wo sind die nur alle?«, fragte sich Spurral.
»Da ist einer.« Jup streckte den Arm aus.
Auf der anderen Straßenseite kam eine einsame Gestalt in ihre Richtung gerannt.
»Versteckt euch, sofort«, befahl Stryke.
Die Truppe zog sich rasch in den Schatten einer abzweigenden Gasse zurück.
Aus der Nähe konnte Stryke erkennen, dass es ein junger Ork war, der dort rannte. Er trug einen grauen Mantel.
»Was ist denn los?«, rief er ihm zu.
Der Ork wurde langsamer und sah Stryke an, offenbar verwirrt. »Was meinst du damit?«
»Wo sind die denn alle?«
»Weißt du nicht, welche Stunde es ist?«
»Was hat das mit …«
»Es ist schon fast dunkel! Du musst von der Straße verschwinden, sie kommen gleich!«
»Wer denn?«
Der Ork antwortete nicht, sondern rannte weiter und verschwand um eine Ecke.
Coilla kam aus der Gasse heraus. »Bei der Hölle, was hatte das zu bedeuten?«
»Womöglich sind wir auf den einzigen verrückten Ork in der Stadt gestoßen«, meinte Jup.
»Und was jetzt?«, wollte Haskeer wissen.
»Wir gehen weiter«, entschied Stryke, »aber bleibt wachsam. «
Sie wanderten tiefer in die stille, verlassene Stadt hinein. Straßenzug um Straßenzug blieb das Bild unverändert – verriegelte Türen, versperrte Fenster und unbeleuchtete Gebäude. Nicht einmal ein streunender Hund oder eine pirschende Katze ließen sich blicken.
Endlich
Weitere Kostenlose Bücher