Die Orks
anzuzeigen, dass er keine Waffe hatte. Stryke befahl Talag und Finje, ihn zu durchsuchen. Als sie damit fertig waren, brachten sie ihn zu Stryke. Reafdaw kümmerte sich um sein Pferd und wickelte dessen Zügel um einen verwitterten Baumstumpf. Die Blicke des Trupps huschten vom umliegenden, in Weiß gehüllten Gelände zu diesem hochgewachsenen, ungerührten Mann, der in ihrer Mitte eingetroffen war.
»Wer bist du, Mensch?«, wollte Stryke wissen.
»Was willst du?«
»Ich bin Seraphim. Ich habe euer Feuer gesehen und will mich nur daran wärmen.«
»Dieser Tage ist es ziemlich gefährlich, unaufgefordert in ein Lager zu reiten. Woher willst du wissen, dass wir dich nicht töten?«
»Ich vertraue auf die Ritterlichkeit der Orks.« Er warf einen Blick auf Jup.
»Und derjenigen, die sich mit ihnen verbünden.«
»Was bist du, Manni oder Uni?«, fragte der Zwerg.
»Nicht alle Menschen sind entweder das eine oder das andere.«
»Ha!«, rief Jup skeptisch.
»Es stimmt. Ich trage keinen Koffer voll Götter mit mir herum. Darf ich?« Er streckte die Hände zum Feuer aus. Aber Stryke fiel auf, dass dieser Fremde sich trotz der bitteren Kälte nicht unbehaglich zu fühlen schien. Seine Zähne klapperten nicht, und seine widerlich blasse Haut zeigte keine Spur von Blau.
»Woher wissen wir, dass du nichts Böses im Schilde führst?«, fragte Stryke.
»Ich kann es dir nicht verdenken, dass du so denkst. Die Sichtweise, die meine Rasse hinsichtlich deiner hat, ist ebenso misstrauisch. Aber schließlich sind viele Menschen ja auch wie Pilze.« Sie sahen ihn verwirrt an. Stryke überlegte kurz, ob dieser Mensch vielleicht geistig zurückgeblieben war. Oder verrückt.
»Pilze?«, sagte er.
»Ja. Sie gedeihen im Dunkeln und nähren sich von Scheiße.« Eine Welle von Gelächter überlief den Trupp.
»Gut ausgedrückt«, sagte Jup auf eine wachsam gutgelaunte Art zu dem Fremden.
»Aber wer bist du, dass du allein und unbewaffnet durch ein vom Krieg zerrissenes Land reitest?«
»Ich bin ein Geschichtenerzähler.«
»Eine Geschichte ist genau das, was uns gerade noch gefehlt hat«, bemerkte Stryke zynisch.
»Dann erzähle ich euch eine. Obwohl ich befürchte, dass die Handlung spärlich ist und sie als Tragödie enden könnte.« Etwas in der Art, wie er das sagte, schlug sie in den Bann.
»Könnte es sein, dass ihr ein Mitglied eurer Rasse sucht?«, fügte der Mensch hinzu.
»Und wenn es so wäre?«
»Ein weibliches Mitglied eures Trupps?«
»Was weißt du darüber?«, knurrte Stryke finster.
»Ein wenig. Genug, um euch vielleicht zu helfen.«
»Nur weiter.«
»Eure Gefährtin ist Kopfgeldjägern meiner Rasse in die Hände gefallen.«
»Woher weißt du das? Bist du einer von ihnen?«
»Sehe ich wie ein Söldner aus? Nein, mein Freund, ich bin keiner von ihnen. Ich habe sie nur bei ihnen gesehen.«
»Wo? Und wie viele waren es?«
»Drei. Nicht weit von hier. Aber mittlerweile müssen sie längst weitergezogen sein.«
»Inwiefern hilft uns das?«
»Ich weiß, wohin sie wollten. Nach Teufelsbrüllen.« Stryke musterte ihn argwöhnisch.
»Warum sollten wir dir glauben?«
»Das bleibt euch überlassen. Aber warum sollte ich lügen?«
»Vielleicht aus irgendeinem finsteren Grund, den nur du kennst. Wir haben auf die harte Tour lernen müssen, dass es ratsam ist, alles anzuzweifeln, was ein Mensch sagt.«
»Wie ich schon sagte, das kann man euch nicht verdenken. Bei dieser Gelegenheit sagt euch ein Mensch die Wahrheit.« Stryke starrte ihn an. Er konnte nicht in seiner Miene lesen.
»Ich muss nachdenken«, sagte er. Er betraute ein paar Gemeine mit der Aufgabe, den Menschen im Auge zu behalten, und entfernte sich vom Feuer. Der Schneefall hatte ein wenig nachgelassen. Er achtete nicht darauf. Sein Verstand war ganz darauf konzentriert, die Worte des Fremden abzuwägen.
»Störe ich?« Stryke drehte sich um.
»Nein, Jup. Ich habe nur versucht, schlau aus dem zu werden, was wir gehört haben. Es beginnt mit der Frage, warum wir diesem Seraphim glauben sollten.«
»Weil dem, was er sagt, eine gewisse Logik innewohnt?«
»Vielleicht.«
»Weil wir verzweifelt sind?«
»Das trifft es schon eher.«
»Denken wir die Sache durch, Boss. Wenn dieser Mensch die Wahrheit sagt, gehen wir davon aus, dass die Kopfgeldjäger sich Coilla wegen der Belohnung geschnappt haben, die auf ihren Kopf ausgesetzt ist, nicht?«
»Wenn nicht, hätten sie sie dann nicht längst getötet?«
»Das habe ich mir auch überlegt.
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