Die Orks
am Zügel lenkte sie nach rechts und verlagerte auch ihr Gewicht in diese Richtung. Das Pferd änderte die Laufrichtung und rauschte an dem Baumstamm vorbei. Einen Augenblick sah sie nur die raue Maserung der Rinde, und ein skelettartiger Ast streifte ihre Schulter. Dann lag der Baum hinter ihr. Während Coilla den Baum rechts passierte, nahm der Mensch den Weg links vorbei. Aber für die übrigen Verfolger erwies er sich als Hindernis. Wegen ihrer größeren Anzahl gerieten sie an diesem Flaschenhals ins Stocken, und für einen Moment war er der einzige Gegner. Entschlossen, ihn loszuwerden, hielt Coilla auf ihn zu. Sie setzten ihr Duell fort, als die Schlucht wieder offener Prärie wich. Während sie Hiebe wechselten, war Coilla sich der fliehenden Vielfraße und Jups Blicke bewusst, der sie über die Schulter ansah. Gleichzeitig nahm die Armee der Aufseher wieder Geschwindigkeit auf und ließ den zwischenzeitlich gewonnenen Vorsprung schmelzen. Coilla entschloss sich zu einem kühnen Manöver. Sie ließ die Zügel los und damit dem Pferd seinen Willen, um ihr Schwert beidhändig fassen zu können. Damit ging sie das Risiko eines Sturzes ein, aber sie ließ es darauf ankommen. Es zahlte sich aus. Diesmal legte sie alle Kraft und ihre ganze Reichweite in den Hieb, und die Klinge traf. Sie erwischte das Ellbogengelenk des Schwertarms ihres Gegners und schnitt tief ins Fleisch. Blut spritzte. Mit einem Aufschrei ließ er die Waffe fallen und umklammerte die Wunde. Coillas Folgehieb traf seine Brust, zerschmetterte Knochen und setzte einen ausgiebigen rubinroten Strom frei. Er schwankte mit hin und her schaukelndem Kopf. Sie hieb nicht wieder zu. Das brauchte sie auch nicht. Die Zügel glitten dem Verwundeten aus der Hand. Einen Augenblick wurde er von seinem dahinrasenden Pferd wie eine Strohpuppe getragen, dann fiel er. Als Wirrwarr aus schlaffen Gliedmaßen und zerzauster Kleidung fiel er zu Boden und überschlug sich. Bevor er zur Ruhe kam, ritt die Vorhut der Verfolger über ihn hinweg. Einige gingen in dem Durcheinander des Zusammenpralls zu Boden und wurden ihrerseits niedergetrampelt. Ein chaotisches Getümmel schreiender Männer und Pferde entstand. Coilla nahm ihre flatternden Zügel auf und spornte ihr Pferd an. Ihre schärfsten Verfolger waren jetzt mehrere reiterlose Pferde. Sie erreichte das Ende des fliehenden Trupps, das Jup bildete, der ein wenig zurückhing, da er auf sie gewartet hatte. Während sie die Flucht gemeinsam fortsetzten, gruppierte der Feind sich hinter ihnen neu.
»Sie werden nicht aufgeben«, mutmaßte Jup.
»Wann hätten sie das je getan?« Sie begutachtete das Land voraus. Es wurde sumpfig.
»Und das hier ist kein Gelände für eine Flucht«, fügte sie hinzu.
»Wir denken nicht nach.«
»Hmm?«
»Wir können sie nicht in den Drogawald führen.« Coilla runzelte die Stirn.
»Nein«, stimmte sie zu, während ihr Blick zur Baumlinie huschte.
»Das wäre keine gute Art, Keppatawns Gastfreundschaft zu vergelten.«
»Genau.«
»Was sollen wir stattdessen tun?«
»Was wohl, Coilla?«
»Scheiße.«
»Hast du eine bessere Idee?« Sie beäugte die Horde der Menschen. Sie kamen näher.
»Nein«, seufzte sie.
»Also los, tun wir's.« Sie spornte ihr Pferd an, und Jup folgte ihr. Sie schoben sich langsam durch die Reihen der Gemeinen zur Spitze des Trupps, wo Alfray und Haskeer ritten. Der sumpfige Untergrund behinderte das Vorankommen, dennoch schmerzte das Tempo Coilla noch in den Augen.
»Nicht in den Wald!«, rief sie.
»Nicht in den Wald!« Alfray verstand.
»Sollen wir uns zum Kampf stellen?«, rief er zurück, indem er das im Wind wehende Kriegsbanner der Vielfraße hob. Jup übernahm die Antwort.
»Was sonst?«, bellte er.
»Zum Kampf stellen, ja!«, fiel Haskeer ein.
»Orks fliehen nicht! Wir kämpfen!« Das reichte Coilla. Sie zügelte ihr Pferd, und die anderen folgten ihrem Beispiel. Die Aufseher hinter ihnen schlossen rasch auf. Sie wendete ihr Pferd und rief:
»Haltet ein! Wir reiten ihnen entgegen!« Es stand ihr nicht zu, den Trupp zu kommandieren. Als ranghöchste Offiziere hätten Jup oder Haskeer den Befehl geben müssen. Aber im Augenblick dachte niemand an Formalitäten.
»Schwärmt aus!«, bellte Jup.
»Bildet eine Linie!« Der Trupp gehorchte rasch, da der Feind sie fast erreicht hatte. Sie zückten Schleudern, Wurfmesser, Kurzspeere und Bögen, obwohl sie, was Speere und Bögen betraf, miserabel ausgerüstet waren und nicht mehr als vier von
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