Die Orks
Zwerg musterten einander durchdringend. Jup betete innerlich, es möge ihm erspart bleiben, auf die Probe gestellt zu werden, ob er bereit war, seine Drohung in die Tat umzusetzen. Das Mädchen mochte ein ziemlich unangenehmes Exemplar der Gattung Mensch und der Sprössling eines rücksichtslosen Tyrannen sein, aber sie war trotz alledem kaum mehr als ein Kind. Vor die Wahl gestellt, würde er ihr lieber nichts antun.
»Dafür wird mein Vater dich umbringen«, versprach Milde. Aus dem Mund eines so jungen Mädchens klang die Drohung umso eindringlicher.
»Halt den Mund«, knirschte Jup.
»Du Ungeheuer!«, jammerte sie.
»Du verkümmerter Oger! Du… Schandfleck! Du…« Er ließ sie die Schärfe seiner Messerklinge spüren. Sie schluckte und hielt den Mund.
»Lass das Tor öffnen!«, sagte er. Der Haufen der Verfolger war stehen geblieben und sah schweigend zu. Die Aufseher gafften mit halb erhobenen Waffen. Hobrow durchbohrte Jup mit seinem brennenden Blick.
»Lass es öffnen«, wiederholte Jup.
»Das ist doch alles ganz unnötig«, sagte Hobrow zu ihm.
»Lass das Tor öffnen, dann lasse ich sie laufen.«
»Woher weiß ich, dass du dein Wort hältst?«
»Du wirst mir wohl einfach vertrauen müssen.« Hobrows Miene wurde finsterer, sein Tonfall rauer.
»Was glaubst du, wie weit du da draußen kommen wirst?«
»Das ist mein Problem. Lässt du jetzt das Tor öffnen, oder muss ich ihr Blut vergießen?« Der Prediger geriet immer mehr in Wut.
»Wenn du dem Kind auch nur ein Haar krümmst…«
»Dann lass das Tor öffnen.« Hobrow schäumte innerlich für einen Moment, und Jup fragte sich, was ihm das Leben seiner Tochter wert war. Dann drehte sich der heilige Mann um und gab den Aufsehern einen schroffen Befehl. Sie liefen zum Tor und schoben den Querbalken beiseite. Andere öffneten das Tor. Für Jup war der nächste Augenblick der Wahrheit gekommen. Wenn die Vielfraße nicht dort draußen auf ihn warteten, waren seine Überlebenschancen gleich null. Die Zügel der Pferde in der einen und das Messer an Mildes Kehle in der anderen Hand, lenkte er die Kutsche durch das Tor und auf die Straße. Von den Vielfraßen war nichts zu sehen. Das beunruhigte ihn nicht sonderlich. Er hatte nicht damit gerechnet, sie ausmachen zu können. Dann, als er sich ein Stück vom Stadttor entfernt hatte, tauchte der Trupp aus der Deckung des hohen Grases auf.
»Spring ab«, sagte er zu dem Mädchen. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Spring ab!«, bellte er. Sie zuckte zusammen und hüpfte von der Kutsche, dann rappelte sie sich auf und lief zurück in die ausgestreckten Arme ihres Vaters. Jetzt, da sie frei war, brauchten die Menschen sich keine Zurückhaltung mehr aufzuerlegen. Brüllend und schreiend stürmten sie los. Jup ließ die Zügel knallen, und die Kutsche beschleunigte. Als die Menschen durch das Tor stürzten, erblickten sie die Vielfraße zum ersten Mal. Sie hatten geglaubt, sie würden einen Zwerg in Stücke reißen, und nicht damit gerechnet, in einen Kampf verwickelt zu werden. Das unerwartete Auftauchen der Orks und die Wildheit ihres Angriffs brachte die Menschen aus dem Konzept. Coilla erhöhte ihre Verwirrung noch, indem sie die Wachen in den Türmen mit ihrem Bogen aufs Korn nahm. Drei Gemeine deckten die Menge mit Pfeilen ein. Angeführt von Stryke schlug der Rest des Trupps den Pöbelhaufen zurück, der sich in seine Bestandteile auflöste, als die Menschen kehrt machten und in die Sicherheit der Enklave flohen. Hobrows Stimme war deutlich zu vernehmen, da er Befehle bellte und Rache schwor. Stryke sprang zu Jup auf den Karren.
»Sie werden Pferde satteln! Wir müssen uns beeilen!« Coilla und mehrere andere Angehörige des Trupps sprangen ebenfalls an Bord. Die übrigen trabten zu Fuß neben der schnell fahrenden Kutsche her.
»Hast du ihn?«, fragte Stryke. Jup grinste.
»Ich habe ihn!« Die Vielfraße setzten sich mit ihrer Beute von Dreieinigkeit ab.
In dem allgemeinen Durcheinander war Kimball Hobrow außer sich vor Zorn. Aufseher liefen zu den Ställen, um Pferde zu holen, und beeilten sich, die Mauern zu bemannen. Bürger der Stadt bewaffneten sich für die Verfolgung. Die Verwundeten wurden versorgt, die Toten von der Straße gezerrt, um den Weg freizumachen. Ein Löschtrupp karrte Wasser zum lodernden Arboretum. Milde Hobrow, in Tränen aufgelöst und auf mürrische Art erzürnt, zerrte am Gehrock ihres Vaters und jammerte.
»Töte sie, Vati! Töte sie, töte sie!« Hobrow
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