Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
ihn jemand sucht, kann er ihn finden.«
Der Padre erklärte in langsamen Worten, was das Erdbeben bewirkt hatte. Natürlich verschwieg er die Sache mit Tino.
»Der Ort hat sich geöffnet wie die Pforte zur Unterwelt«, sagte der Mann mit dem deutschen Akzent, und Padre Antonio konnte spüren, dass ihn Fassungslosigkeit ergriffen hatte. »Gerade jetzt. Das kann kein Zufall sein.«
»Nein … Aber was wollen Sie von mir?«
»Sie wissen, welche heidnischen Rituale mit dem Ort zusammenhängen.«
»Ja, Signore, ich weiß es.«
»Wie ich schon sagte. Jemand wird kommen. Eine junge Frau. Sie wird danach suchen … Mein Gott, wenn man die Pforte doch nur wieder verschließen könnte.«
Ja, dachte der Padre. Wenn man das könnte. Wahrscheinlich war das sogar möglich. Mit einem neuen Erdbeben. Oder man musste zu anderen Mitteln greifen.
»Was soll ich nun tun?«
»Die Frau darf die Höhle nicht finden.«
»Wie kann ich das verhindern?«
»Das ist Ihre Sache. Betrachten Sie es als Ihre Pflicht.«
»Ich versuche es. Wie heißt die Frau?«
»Sie hat einen einfachen Namen, der sogar ein wenig italienisch klingt. Dabei ist sie Deutsche.«
»Und wie ist der Name?«
»Der Name ist Mara.«
36
In der Landschaft zwischen dem Blockhaus und dem See erschien ein Licht, das sich innerhalb von einer Sekunde zu einem Stern ausdehnte. Dann fiel das Strahlen in sich zusammen, und eine Figur erschien – nicht ganz so hell wie das virtuelle Feuer, das sie angekündigt hatte. Ihre Haut war von einem kalten, leicht bläulichen Weiß. Sie trug keine der Kleidung, wie man sie in Twinworld überall bekam. Der Avatar war nackt, besaß jedoch keine Geschlechtsteile. Die Scham zwischen den Beinen bestand nur aus einer glatten weißen Fläche. Ebenso die angedeuteten Brüste ohne Brustwarzen. Ein längliches Gesicht, eingerahmt von Haaren, die dasselbe kalte Weiß aufwiesen, allerdings in einer leicht ins Gelbliche gehenden Tönung, war Mara und Jakob zugewandt. Über dem Kopf der Figur schwebte der Name: Deb. Jetzt bewegte sie die Lippen, die nicht mehr als eine rötliche Spur auf dem Gesicht waren, und im Chat erschien Deborahs Nachricht.
Dass Du geflohen bist, zeigt mir, dass Du diejenige bist, für die ich Dich halte.
Jakob atmete deutlich hörbar aus. »Unglaublich«, sagte er. »Es war tatsächlich so, wie wir gedacht haben. Sie hat dich getestet.«
»Was soll ich schreiben?«, fragte Mara.
»Du darfst nicht zögern, sonst merkt sie, dass du lange nachdenkst. Begrüße sie erst mal. Und stell dich dumm. Sie darf nicht wissen, dass wir uns über ihre Pläne so viele Gedanken gemacht haben.«
Mara tippte.
Ich bin Mara. Wer soll ich sonst sein? Und Dein komischer Bodyguard hat versucht, mich umzubringen. Deborah, was soll das alles? Ich habe Angst. Gleichzeitig denke ich, dass nur Du es bist, die mich zur Musik zurückbringen kann.
»Brillant«, rief Jakob aus.
»Ich finde das unheimlich.« Sie nahm die Maus und zoomte näher an die künstliche Deborah heran. So nah, dass ihr weißes Gesicht fast den ganzen Monitor ausfüllte.
»Jetzt ist sie es, die nachdenkt«, sagte Mara.
Du brauchst keine Angst zu haben. Es war ein Test. Ich wollte wissen, ob Du meinem Helfer entkommst.
Ein Test? Wofür denn? Ich kann mich nicht erinnern, eine Ausbildung zur Nahkämpferin gemacht zu haben.
Darum geht es nicht. Es geht darum, dass Du Deine Bestimmung findest.
Und die finde ich, indem ich einem Killer entkomme?
Es gab wieder eine längere Pause. Offenbar fiel es Deborah schwer, ihren Auftrag zum Mord zu erklären.
Wir sollten uns noch einmal persönlich treffen.
»Darauf soll es hinauslaufen«, sagte Jakob.
Mara tippte.
Ich habe inzwischen mehr erfahren. Über mich und die Rolle der Violine.
Deborahs Reaktion kam sofort.
Tatsächlich?
»Jetzt müssen wir hoffen, dass sie mir das, was ich schreibe, auch glaubt«, sagte Mara. »Drück die Daumen.«
Deborah, ich werde auch hier, wo ich gerade bin, verfolgt. Es sind Leute hinter mir her … Ich weiß nicht, wer sie sind. Stell Dir vor, sie haben mich gekidnappt und in einer Wohnung gefangen gehalten. Ich verstehe das nicht. Sie müssen die ganze Zeit hinter mir her gewesen sein. Seit ich Quint entkommen bin. Ich bin auch da, wo ich jetzt bin, nicht sicher. Ich werde nicht lange mit Dir chatten können.
»Zeitdruck aufbauen ist sicher gut«, meinte Jakob. »Aber ob sie dir abnimmt, dass du dich ganz ohne Hintergedanken in ihre Arme flüchtest – trotz des Mordversuchs?«
Da
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