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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ausgebreiteten Armen und Beinen neben dem großen Holzkreuz.
     Es war zersplittert, und der zerbrochene Querbalken war naß von Blut. Neben dem toten Fulgentius lagen die Leichen zweier
     Normannen; ihre Schädel waren eingeschlagen, |213| wie die zerschmetterten eisernen Helme erkennen ließen.
    Vorsichtig schob Johanna sich vor, bis ihr Kopf und die Schultern aus dem Altaraufsatz ragten.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchenschiffs bewegte sich irgend etwas. Johanna zuckte zurück, fort aus dem Licht.
    Es sah aus, als würde ein Kleiderbündel sich bewegen. Dann löste es sich von dem Berg aus Erschlagenen.
    Jemand hatte überlebt!
    Eine junge Frau. Sie hatte Johanna den Rücken zugewandt. Für einen Moment stand sie schwankend da; dann taumelte sie zu den
     Ausgangstüren am Domportal.
    Ihr goldenes Kleid war zerfetzt und blutig, und ihr Haar – von der Haube losgerissen – fiel ihr in rotbraunen Wogen bis über
     die Schultern.
    Gisla!
    Johanna rief ihren Namen, und Gisla drehte sich um, kam mit unsicheren Schritten zum Altaraufsatz.
    Draußen vor dem Dom erklang plötzlich eine Lachsalve aus rauhen Männerkehlen.
    Gisla hörte das Gelächter und wirbelte herum, wollte die Flucht ergreifen, doch es war zu spät. Eine Gruppe Normannen kam
     durch die Tür. Mit grölenden Jubelrufen stürzten die Männer sich auf Gisla, packten sie und hoben sie hoch über ihre Köpfe.
    Sie trugen Gisla zu einem freien Bereich neben dem Altar, packten sie an Hand- und Fußgelenken, drückten sie auf den Boden
     und hielten ihre Arme und Beine gespreizt. Gisla wand sich verzweifelt, um sich zu befreien. Der größte der Männer zog ihr
     das Kleid bis übers Gesicht hoch, fetzte ihr die Unterkleidung vom Leibe und legte sich auf sie. Gisla schrie. Der Mann packte
     grob ihre Brüste. Die anderen lachten und feuerten ihn an, als er Gisla vergewaltigte.
    Johanna schluchzte auf und schlug sich die Hand vor den Mund, um den Laut zu ersticken.
    Der hochgewachsene Normanne ließ von Gisla ab und machte einem seiner Kumpane Platz. Gisla lag schlaff und regungslos da.
     Einer der Männer packte ihr Haar und zerrte daran, so daß sie vor Schmerz zusammenzuckte.
    Dann machte ein dritter Mann sich über sie her, und ein |214| vierter; schließlich ließen sie Gisla achtlos liegen und gingen zu mehreren Jutesäcken hinüber, die neben der Eingangstür
     aufgestapelt waren. Es klingelte metallisch, als die Männer sich die Säcke über die Schultern warfen; offenbar waren sie mit
     weiteren Kostbarkeiten aus dem geplünderten Domschatz gefüllt.
    Dieser Säcke wegen waren die Mörder zurückgekommen …
    Bevor sie den Dom verließen, schlenderte einer zu Gisla hinüber, packte ihren noch immer schlaffen, widerstandslosen Körper
     und warf ihn sich wie einen Sack Getreide über die Schulter.
    Dann gingen die Männer zur entfernten Tür hinaus.
    Tief im Innern des Altaraufsatzes verborgen, hörte Johanna nur noch die schaurige, hallende Stille des Domes.
     
    Das Licht, das durch die schmalen Ritzen in der vorderen Bretterwand des Altaraufsatzes fiel, warf lange Schatten. Seit Stunden
     hatte Johanna keinen Laut mehr vernommen. Schließlich bewegte sie sich und kroch vorsichtig durch die schmale Öffnung des
     Altaraufsatzes ins Freie.
    Der Hochaltar stand noch immer, wenngleich die Goldverkleidungen heruntergerissen waren. Johanna lehnte sich an den Altar
     und starrte auf die Szenerie um sie herum. Ihr Hochzeitskleid war blutbespritzt. War es ihr eigenes Blut? Sie wußte es nicht.
     In ihrer aufgeschlitzten Wange pochte der Schmerz. Wie betäubt, mit schwankenden Schritten und suchendem Blick, ging sie zwischen
     den Erschlagenen umher.
    In einem Berg aus Leichen in der Nähe des Domportals entdeckte sie den Hufschmied und seinen Sohn. Sie hielten einander umschlungen,
     als wollte der eine den anderen beschützen. Das Gesicht des Jungen sah in der kalten, unbewegten Blässe des Todes alt und
     eingefallen aus. Erst wenige Stunden zuvor hatte er neben Johanna im Dom gestanden, hochgewachsen und rotwangig, voller Leben
     und jugendlicher Kraft.
Jetzt wird es keine Hochzeit mehr geben,
ging es Johanna durch den Kopf. Gestern noch hätte dieser Gedanke sie mit tiefer Freude und Erleichterung erfüllt; nun aber
     empfand sie nur betäubende Leere. Sie ließ den Jungen bei seinem Vater und setzte ihre Suche fort.
    Sie fand Johannes in einer Ecke des Kirchenschiffes. Seine Hand hielt noch immer den Griff des Normannenschwerts |215|

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