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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Anastasius, verrichten wir die Arbeit Gottes.«
    Forschend betrachtete Anastasius das Gesicht des Papstes.
Er hat keinen Verdacht geschöpft.
Offensichtlich glaubte Gregor noch immer, daß er durch seine Vermittlung einen Frieden zwischen dem Kaiser und seinen Söhnen
     bewirken konnte. Und offensichtlich wußte er immer noch nichts von den geheimen Abkommen, die Anastasius so vorsichtig und
     verstohlen geschlossen hatte, wobei er den ausdrücklichen Anweisungen seines Vaters gefolgt war.
    »Morgen, wenn die Sonne aufgeht, wird dieses gepeinigte Land einen neuen Frieden sehen«, sagte Gregor.
    Wie wahr, wie wahr,
dachte Anastasius.
Allerdings wird dieser Friede ganz anders beschaffen sein, als du ihn dir vorstellst.
    Falls alles wie geplant verlief, würde der Kaiser morgen bei Sonnenaufgang feststellen, daß seine Truppen während der Nacht
     desertiert waren und ihn allein zurückgelassen hatten, verteidigungslos den Heeren seiner Söhne ausgeliefert. Alles war bereits
     abgesprochen, und auch die Bezahlung war schon erfolgt. Egal, was Gregor an diesem Tag sagen oder tun mochte – es spielte
     nicht mehr die geringste Rolle.
    |242| Doch es war wichtig, daß die päpstlichen Vermittlungsgespräche zunächst einmal geführt wurden, so, als wäre nichts geschehen.
     Die Verhandlungen mit Gregor würden das Mißtrauen des Kaisers weitgehend zerstreuen und seine Aufmerksamkeit genau zu dem
     Zeitpunkt ablenken, wenn alles darauf ankam.
    Wahrscheinlich war es angebracht, Gregor ein bißchen zu ermutigen. »Was Ihr heute versuchen wollt, Heiligkeit, kann den Lauf
     der Welt zum Guten verändern«, sagte Anastasius. »Gott wird Euch und Eure Ziele mit Wohlgefallen betrachten.«
    Gregor blickte den jungen Mann an. »Das hoffe ich, Anastasius. Das hoffe ich mehr als je zuvor.«
    »Gregor den Friedensstifter wird man Euch nennen. Gregor den Großen!«
    »Nein, Anastasius«, erwiderte der Papst tadelnd. »Falls ich heute Erfolg habe, dann war es Gottes Werk, und ich war nur sein
     Werkzeug. Die Zukunft dieses Reiches, von dem die Sicherheit Roms abhängt, steht heute auf dem Spiel. Bleiben der Friede gewahrt
     und das Reich bestehen, wäre dies allein der Gnade des Herrn zu verdanken.«
    Gregors bedingungsloser Glaube kam Anastasius beinahe unfaßbar vor. Er betrachtete den Papst als eine seltsame Laune der Natur,
     so, als hätte er sechs Finger an einer Hand. Gregor war ein zutiefst bescheidener und demütiger Mann – andererseits hatte
     er allen Grund, bescheiden und demütig zu
sein
, wenn man seine Fähigkeiten berücksichtigte.
    »Begleite mich zum Zelt des Kaisers«, sagte Gregor. »Ich möchte, daß du dabei bist, wenn ich mit ihm verhandle.«
    Alles läuft wie geschmiert,
ging es Anastasius durch den Kopf. Sobald diese Sache hier vorüber war, brauchte er nur noch nach Rom zurückzukehren und zu
     warten. Sobald Lothar erst an Stelle seines Vaters der neue gekrönte Herrscher war, würde er schon wissen, wie er Anastasius
     dessen Hilfe an diesem heutigen Tag vergelten konnte.
    Gregor ging zum Zeltausgang. »Komm, es wird Zeit. Laß uns tun, was getan werden muß.«
    Sie verließen das Zelt und gingen über das große Feld, das dicht an dicht von anderen Zelten bestanden war, über denen die
     Banner des kaiserlichen Heeres flatterten. Man konnte sich kaum vorstellen, daß dieses farbenprächtige, scheinbare Durcheinander
     morgen früh vollkommen verschwunden sein |243| würde. Anastasius versuchte, sich den Ausdruck auf Ludwigs Gesicht vorzustellen, wenn der entmachtete Kaiser aus seinem Zelt
     trat und die riesigen, kahlen stillen Felder vor sich sah.
    Sie kamen an den kaiserlichen Wachen vorüber und gelangten zum Zelt des Herrschers. Unmittelbar vor dem Eingang blieb Gregor
     stehen und murmelte ein letztes Gebet.
    Anastasius beobachtete ungeduldig, wie Gregors volle, beinahe feminine Lippen lautlos die Worte des zwanzigsten Psalmes formten.
    »… die einen sind stark durch die Wagen,
    die anderen durch Rosse, wir aber sind stark
    im Namen des Herrn, unsres Gottes.
    Sie sind gestürzt und gefallen,
    wir bleiben aufrecht und stehen.
    Herr, verleihe dem König den Sieg!
    Erhör uns am Tag, da wir rufen!«
    Frommer Narr!
In diesem Augenblick war Anastasius’ Verachtung für den Papst so groß, daß es ihn erhebliche Mühe kostete, seiner Stimme einen
     respektvollen Beiklang zu geben.
    »Sollen wir hineingehen, Heiligkeit?«
    Gregor hob den Kopf. »Ja, Anastasius. Ich bin bereit.«

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