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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Zischen.
    »Dein Ungehorsam, mein Sohn, hat deine unsterbliche Seele in schreckliche Gefahr gebracht«, sagte Abt Rabanus düster. »Für
     eine solche Krankheit gibt es nur eine Heilmethode. Um mit den gerechten, wenngleich schrecklichen Worten des |259| Apostels zu sprechen:
Traditum eiusmodi hominem in interitum carnis, ut spiritus salvus sit in diem Domini
– ein solcher Mensch muß der Geißelung des Fleisches überantwortet werden, auf daß seine Seele am Tag des jüngsten Gerichts
     errettet werden mag.«
    Auf ein Zeichen Rabanus’ packten zwei
decani iuniores
– Brüder, die für die klösterliche Disziplin verantwortlich waren – den jungen Mönch und stießen ihn in die Mitte des Kapitelsaales.
     Gottschalk wehrte sich nicht, als sie ihn auf die Knie zwangen und seinen Umhang in die Höhe zerrten, wobei sie sein Gesäß
     und den Rücken entblößten. Aus einer Ecke des Kapitelsaales holte Bruder Germar, der Dekan, eine dicke Rute aus Weidenholz,
     an deren einem Ende mehrere Stränge aus borstigem Seil befestigt waren, in die Knoten eingeflochten waren. Bruder Germar nahm
     hinter Gottschalk Aufstellung, hob die Geißel und ließ sie wuchtig auf den Rücken des jungen Mannes niedersausen. Das Klatschen
     des Schlages hallte überlaut durch die Stille des Saales, denn alle Versammelten waren verstummt.
    Eine Gänsehaut lief Johanna über den narbigen Rücken. Das Fleisch hat sein eigenes Gedächtnis, und es ist weniger vergeßlich
     als das geistige Gedächtnis, so daß die Erinnerungen schärfer und schmerzlicher sind.
    Immer wieder hob Bruder Germar die Geißel; immer härter schlug er zu. Gottschalk bebte am ganzen Körper, doch er preßte die
     Lippen zusammen, um Abt Rabanus nicht die Genugtuung zu geben, ihn bei jedem Schlag laut aufschreien zu hören. Wieder hob
     sich die Geißel, sauste herab, hob sich, sauste herab – und immer noch hielt Gottschalk durch und gab keinen Laut von sich.
    Nach den üblichen sieben Schlägen senkte Bruder Germar die Geißel. Doch wütend bedeutete Abt Rabanus dem Dekan weiterzumachen.
     Mit einem erstaunten Blick gehorchte Bruder Germar.
    Drei weitere Schläge folgten … vier … fünf; dann ertönte plötzlich ein schreckliches Knacken, als die Geißel auf Knochen traf.
     Gottschalk warf den Kopf in den Nacken und schrie – ein gellender, fürchterlicher und erschreckender Schrei, der aus seinem
     innersten Innern kam. Der grauenhafte Laut schallte durch den Kapitelsaal und ging in ein lautes Schluchzen über, das Gottschalks
     geschundenen Körper schüttelte.
    |260| Abt Rabanus nickte zufrieden und gab Bruder Germar ein Zeichen, die Geißelung zu beenden. Als Gottschalk hochgehoben und aus
     dem Saal geschleift wurde, erblickte Johanna für einen Moment etwas Weißes, das aus der blutroten Masse ragte, in die sein
     Rücken sich verwandelt hatte. Es war eine gebrochene Rippe, die Gottschalks Fleisch vollständig durchbohrt hatte.
     
    Im Spital war es ungewöhnlich leer, denn der Tag war sonnig und warm, und man hatte die Alten und chronisch Kranken nach draußen
     gebracht, damit sie in den Genuß der heilenden Sonne kamen.
    Bruder Gottschalk lag bäuchlings in seinem Krankenbett. Er war halb bewußtlos, und das Blut, das aus seinen offenen Wunden
     strömte, rötete die Laken. Bruder Benjamin, der Arzt, beugte sich über ihn und versuchte, die Blutungen mit Hilfe mehrerer
     Verbände aus Leinen zu stillen, doch sie waren bereits vollständig von Gottschalks Blut durchtränkt. Benjamin blickte auf,
     als Johanna ans Krankenbett trat.
    »Gut, daß du gekommen bist. Gib mir ein paar Verbände vom Regal dort drüben.«
    Johanna beeilte sich, die Anweisung zu befolgen. Bruder Benjamin wickelte Gottschalk die alten Verbände ab, warf sie zu Boden
     und legte neue auf. Nach kurzer Zeit waren auch sie blutdurchtränkt.
    »Hilf mir, ihn anders zu betten«, sagte Benjamin. »So, wie er liegt, kann dieser Rippenknochen ihn das Leben kosten. Wir müssen
     die Rippe richten, oder er verblutet.«
    Benjamin erklärte Johanna rasch, wie er vorgehen wollte. Als er geendet hatte, nickte sie und trat auf die andere Seite des
     Krankenbettes. Geschickt brachte sie die Hände so in Stellung, wie Bruder Benjamin sie angewiesen hatte; ein rascher Ruck
     nach vorn würde den Rippenknochen in die ursprüngliche Lage bringen.
    »Vorsichtig jetzt«, sagte Benjamin. »Er ist zwar halb bewußtlos; aber
diesen
Schmerz wird er trotzdem spüren. Auf mein Kommando, Bruder. Eins, zwei –

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