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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Verständnis für seine hartnäckige Weigerung, sich Rabanus’ Tyrannei zu unterwerfen;
     denn nur zu gut erinnerte sie sich an ihren eigenen verzweifelten Kampf gegen den Vater.
    »… gelobet sei Gott der Herr …« Kräftig und volltönend |265| erhob sich die Stimme des Abtes über die der anderen Mönche.
    Johanna fiel in die Lobpreisung ein, doch im Geiste galt ihr Dank ebenso Hippokrates, dem Heiden, dem Götzendiener, dessen
     Gebeine schon seit Hunderten von Jahren zu Staub zerfallen waren, als Christus geboren wurde, und dessen Weisheit und Wissen
     dennoch über diese gewaltige Zeitspanne hinweg ihre Gültigkeit bewahrt und einen der Söhne des christlichen Gottes geheilt
     hatte.
     
    »Die Wunden verheilen sehr gut«, versicherte Johanna Bruder Gottschalk, nachdem sie ihm die Verbände abgenommen und seinen
     Rücken freigelegt hatte, den sie sich nun mit kundigem Blick anschaute. Seit dem Tag der Geißelung waren zwei Wochen vergangen;
     die gebrochene Rippe war bereits wieder zusammengewachsen, und auch die gezackten Wundränder verheilten glatt und sauber.
     Dennoch würde Gottschalk – wie auch Johanna – sein Leben lang die Zeichen seiner Bestrafung tragen.
    »Danke, daß du dich so sehr um mich gekümmert hast, Bruder«, sagte Gottschalk. »Aber es wird alles noch einmal so kommen.
     Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Abt mich wieder geißeln läßt.«
    »Du reizt ihn nur dann so sehr, wenn du deinen Trotz offen zeigst«, erwiderte Johanna.»Du mußt behutsamer vorgehen und deine
     Worte mit mehr Bedacht wählen.«
    »Ich werde mich ihm mit aller Kraft entgegenstellen! Bis zum letzten Atemzug! Er ist schlecht und verderbt!« rief Gottschalk
     leidenschaftlich.
    »Hast du schon mal daran gedacht, dem Kloster als Gegenleistung für die Freiheit deinen Anspruch auf den väterlichen Grundbesitz
     zu übertragen?« fragte Johanna. Ein
oblatus
wurde zumeist nicht aus eigenem Entschluß Mönch; die oft adeligen Eltern machten eine große Aufnahmeschenkung, in der Regel
     beträchtlichen Landbesitz. Trat der
oblatus
später aus dem Kloster aus, wurde ihm auch sein Land wieder zuerkannt.
    »Glaubst du vielleicht, das hätte ich nicht schon längst getan?« erwiderte Gottschalk. »Aber der Abt hat es nicht auf das
     Land abgesehen, sondern auf mich. Auf meine Unterwerfung, genauer gesagt. Die Unterwerfung von Körper und Geist. Aber die
     wird er niemals bekommen, und wenn er mich töten läßt!«
    |266| Also war es ein Kampf des Willens zwischen den beiden Männern. Doch diesen Kampf konnte Gottschalk niemals gewinnen. Es war
     das beste, ihn aus dem Kloster zu schaffen, bevor etwas noch Schrecklicheres geschah.
    »Auch ich habe bereits über dein Problem nachgedacht«, sagte Johanna. »Nächsten Monat findet in Mainz eine Synode statt. Alle
     Bischöfe der Kirche werden daran teilnehmen. Falls du eine Bittschrift verfaßt und um deine Entlassung ersuchst, würden die
     Bischöfe sich damit befassen – und ihrer Entscheidung müßte sich auch Abt Rabanus beugen.«
    »Die Synode würde sich niemals gegen den großen Rabanus Maurus stellen«, sagte Gottschalk kläglich. »Er ist ein viel zu mächtiger
     Mann.«
    »Es wäre nicht das erste Mal, daß die Entscheidung eines Abtes zurückgenommen wird«, widersprach Johanna. »Sogar Erzbischöfe
     haben sich schon beugen müssen. Es kommt hinzu, daß du ein gewichtiges Argument vorbringen kannst: Du wurdest als kleiner
     Junge ins Kloster gegeben, lange, bevor du ein verständiges Alter erreicht hattest. Ich habe in der Bibliothek nachgelesen
     und bei Geronimus mehrere Abschnitte entdeckt, die ein solches Argument stützen würden.« Johanna zog unter ihrem Mönchsgewand
     eine Pergamentrolle hervor. »Hier, sieh selbst – ich habe alles aufgeschrieben.«
    Gottschalks dunkle Augen leuchteten auf, als er las. Dann schaute er Johanna aufgeregt an.»Das ist genial! Nicht einmal ein
     Rabanus Maurus kann so schlagkräftigen Argumenten etwas entgegensetzen!« Plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht wieder. »Aber
     … ich habe keine Möglichkeit, dies alles der Synode vorzubringen. Rabanus würde mir niemals die Erlaubnis erteilen, das Kloster
     zu verlassen, nicht einmal für einen Tag – und ganz gewiß nicht, um nach Mainz zu reisen.«
    »Das kann Burchard, der Stoffhändler, für dich übernehmen. Seine Geschäfte führen ihn regelmäßig hierher ins Kloster. Ich
     kenne ihn gut; denn er kommt stets ins Spital, um ein Mittel für seine Frau zu

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