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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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befolgen. Für den römischen Geistlichen war es ganz und gar nicht ungewöhnlich, eine Frau zu haben; denn auch
     verheirateten Männern stand der Zugang zum Priesteramt offen, vorausgesetzt, sie erklärten sich einverstanden, für alle Zukunft
     dem geschlechtlichen Verkehr mit ihren Frauen zu entsagen – eine Bestimmung, an die sich in der Praxis jedoch kaum jemand
     hielt, wie nicht anders zu erwarten.
    Zudem erhoben Frauen nur selten Einspruch, wenn ihr Gatte den Beruf des Geistlichen anstrebte, konnten sie sich doch im priesterlichen
     Glanz des Gemahls sonnen: »Priesterin«, wurden die Frauen der Geistlichen denn auch genannt, oder »Diakonissin«, falls es
     sich um die Gattin eines Diakons handelte. Sogar Papst Leo III. war verheiratet gewesen, als er den päpstlichen Thron bestieg,
     und niemand in Rom hätte deshalb schlecht über ihn gedacht.
    Der Kammerdiener kam mit einem silbernen Teller zurück, der mit Brot und Grüngemüse gedeckt war. Er stellte den Teller vor
     Sergius hin, der ein Stück Brot abbrach und hungrig hineinbiß. »Und nun«, sagte er, »erzählt mir alles über Euch und Rabanus
     Maurus.«

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    Johanna erkannte bald, daß zwei Seelen in Sergius’ Brust wohnten – die eines zügellosen, vulgären und gemeinen Flegels und
     die eines kultivierten, intelligenten und freundlichen Mannes. Johanna hatte bei Celsus von solchen Fällen gelesen;
animae dualae
nannte er sie, »gespaltene Geister«.
    Sergius zählte zu diesen gespaltenen Geistern. Doch in seinem Fall war es der Wein, der die Spaltung und Verwandlung hervorrief.
     In nüchternem Zustand war der Heilige Vater sanft und freundlich; hatte er jedoch getrunken, wurde er zu einem wahren Teufel.
     Die Diener im Lateranpalast – eine sehr schwatzhafte Gemeinschaft – erzählten Johanna, daß Sergius einmal befohlen habe, einen
     der ihren hinzurichten, nur weil er dem Papst nicht rechtzeitig das Abendessen gebracht hatte. Gott sei Dank war Sergius rechtzeitig
     nüchtern geworden, um den Hinrichtungsbefehl zu widerrufen; doch man hatte den Unglücklichen in der Zwischenzeit schon verprügelt
     und an den Pranger gestellt.
    Sergius’ Ärzte hatten doch nicht so ganz unrecht gehabt, erkannte Johanna: Der Papst
war
besessen, wenngleich die Dämonen in seinem Innern nicht vom Teufel geschaffen wurden, sondern von ihm selbst.
    Nachdem sie einen flüchtigen Eindruck von seinen besseren Seiten gewonnen hatte, machte Johanna es sich zur Aufgabe, Sergius’
     Gesundheit wieder vollkommen herzustellen. Sie verordnete ihm eine strenge Diät – Gemüse und Wasser, mit Zitronen- oder Orangensaft
     versetzt. Sergius schmollte, gab aber klein bei, weil er Angst hatte, der Schmerz könnte wiederkehren.
    Als sich seine körperliche Verfassung besserte, stellte Johanna für Sergius einen wohlausgewogenen Plan täglicher Spaziergänge
     im Garten des Lateranpalastes auf. Zu Anfang mußte Sergius noch auf einem Sessel nach draußen getragen werden, wobei drei
     Bedienstete unter dem Gewicht des Heiligen |355| Vaters ächzten. Am ersten Tag gelangen ihm nur ein paar tapsige Schritte, bevor er sich wieder schwerfällig in seinen Sessel
     plumpsen ließ. Doch dank Johannas beharrlicher Ermunterung schaffte er am Ende des Monats bereits eine vollständige Runde
     um den Garten. Die letzten Schwellungen an den Gelenken verschwanden; die verschwollenen, trüben Schweinsäuglein wurden wieder
     groß und klar; die Haut bekam ihre gesunde rosige Farbe zurück, und das gedunsene Gesicht wurde fester und schmaler, so daß
     die Konturen wieder zum Vorschein kamen. Johanna erkannte, daß Sergius sehr viel jünger war, als sie zuerst angenommen hatte;
     er war nicht älter als fünfundvierzig, höchstens fünfzig Jahre.
    »Ich fühle mich wie neugeboren«, sagte Sergius eines Tages, als er mit Johanna einen seiner regelmäßigen Spaziergänge unternahm.
     Es war Frühlingsanfang; der Spanische Flieder blühte bereits und erfüllte den Garten mit seinem Duft.
    »Keine Benommenheit? Kein Schwächegefühl? Keine Schmerzen?« fragte Johanna.
    »Nichts von alledem. Wahrlich, Gott hat ein Wunder gewirkt.«
    »Das mag schon sein, Heiligkeit«, sagte Johanna mit einem verschmitzten Lächeln und einem Seitenblick auf Sergius. »Aber bedenkt,
     in welcher Verfassung Ihr gewesen seid, als noch Gott allein Euer Leibarzt war.«
    In gespieltem Tadel zwickte Sergius Johanna ins Ohr. »Gott hat dich zu mir geschickt, mein Sohn, auf daß du für ihn seine
    

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