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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Bemerkung,
     und dein Leben ist verwirkt! Ich
muß
die Stadt verlassen, verstehst du das denn nicht?«
    Johanna wußte, daß er recht hatte, doch es spielte keine Rolle für sie. Die Aussicht, daß er Rom verließ, erfüllte sie mit
     Schrecken. Gerold war der einzige Mensch, der sie wirklich kannte – und der einzige, dem sie blind vertrauen konnte.
    »Ohne dich«, sagte Johanna, »bin ich ganz allein. Ich glaube nicht, daß ich das ertragen könnte.«
    »Du bist stärker, als du glaubst.«
    »Nein«, erwiderte sie, erhob sich vom Thron und ging zu ihm. Plötzlich schwankte sie, als eine Woge der Benommenheit sie überkam.
    Sofort war Gerold an ihrer Seite, packte sie bei den Armen und stützte sie. »Du bist krank!«
    »Nein, nein. Nur … übermüdet.«
    »Du hast zu hart gearbeitet, Johanna. Du mußt dich ausruhen. Komm, ich bringe dich in deine Gemächer.«
    |520| »Versprich mir, daß du nicht aus Rom fortgehst, bevor wir nicht ausführlicher darüber gesprochen haben.«
    Er lächelte. »Glaubst du etwa, ich würde einfach aus der Stadt verschwinden? Ich gehe erst, wenn du dich wieder gesund fühlst.«
     
    In der Stille ihres Schlafgemachs lag Johanna auf dem Bett.
Bin ich wirklich krank?
fragte sie sich.
Falls ja, muß ich die Ursache herausfinden und die Krankheit rasch behandeln, bevor Ennodius und die anderen Ärzte von der
scola
Wind davon bekommen.
    Angestrengt dachte sie über mögliche Krankheiten nach und stellte sich selbst Fragen, so, als wäre sie ihr eigener Patient.
    Wann haben die Symptome angefangen?
    Jetzt, da Johanna genauer darüber nachdachte, wurde ihr klar, daß sie sich bereits seit mehreren Wochen nicht mehr wohl fühlte.
    Was sind die Symptome?
    Mattigkeit. Appetitlosigkeit. Ein Gefühl der Aufgedunsenheit. Übelkeit, besonders morgens, gleich nach dem Aufstehen …
    Plötzliches Entsetzen packte ihr Inneres wie mit eisiger Faust.
    Verzweifelt dachte sie zurück und versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, wann sie ihre letzte Monatsblutung gehabt hatte.
     Vor zwei Monaten. Vielleicht sogar drei. Sie hatte so viel zu tun gehabt, daß sie dem gar keine Beachtung geschenkt hatte.
    Alle Symptome paßten ins Bild, doch es gab nur eine Möglichkeit, sich Gewißheit zu verschaffen. Sie beugte sich vor und nahm
     den Nachttopf, der neben ihrem Bett auf dem Boden stand.
    Kurze Zeit später setzte sie sich wieder. Ihre Hände zitterten.
    Es gab keinen Zweifel. Sie war schwanger.
     
    Anastasius lehnte sich behaglich auf der Liege zurück.
Ein schöner Tag,
dachte er, zufrieden mit sich selbst.
Ja, heute war ein erfolgreicher Tag.
An diesem Morgen hatte er vor dem kaiserlichen Hof geglänzt und Lothar und dessen gesamtes Gefolge durch seine Klugheit und
     Gelehrtheit beeindruckt.
    Der Kaiser hatte ihn nach seiner Meinung über
De Corpore
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et sanguine Domini
gefragt, die neueste gelehrte Abhandlung, die unter den Theologen des Landes einen gewaltigen Aufruhr verursacht hatte. Die
     Schrift stammte von Paschasius Radbertus, Abt des Klosters Corvey; er stellte darin die unerhörte Behauptung auf, daß der
     Abendmahlskelch den wahren Leib und das wahre Blut Jesu Christi enthielte – nicht bloß das Sinnbild seines Fleisches, sondern
     sein tatsächliches, körperliches Fleisch, »das der Jungfrau Maria geboren, am Kreuze gelitten und aus dem Grabe auferstanden
     ist«.
    »Was meint Ihr, Kardinal Anastasius?« hatte Lothar gefragt. »Ist die heilige Hostie wirklich der Körper Jesu Christi oder
     dessen Sinnbild?«
    Anastasius hatte sofort die Antwort parat. »Die Hostie ist lediglich das Sinnbild, Euer Gnaden. Denn man kann den Beweis erbringen,
     daß Jesus Christus zwei verschiedene Körper besaß: Der erste wurde von der Jungfrau Maria geboren, und den zweiten hat er
     beim Abendmahl symbolisch verteilt.
›Hoc est corpus meum‹,
sagte er zu seinen Jüngern, als er das Brot brach und den Wein einschenkte. ›Dies ist mein Leib.‹ Doch als Jesus dies sagte,
     war er
zugleich
körperlich beim letzten Abendmahl zugegen. Deshalb steht außer Zweifel, daß seine Worte in bildlichem Sinne gemeint waren.«
    Es war eine so kluge und stichhaltige Argumentation, daß alle Beifall spendeten, nachdem Anastasius geendet hatte. Der Kaiser
     hatte ihn als »zweiten Alkuin« gepriesen; er hatte sich mehrere Barthaare ausgezupft und sie Anastasius gereicht – eine Geste
     der höchsten Anerkennung unter diesen seltsamen barbarischen Menschen.
    Anastasius lächelte, als er diesen wonnevollen

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