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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Jagdmesser des
     Vaters in die Höhe. »Ich glaube, ich habe ihn an der Schulter erwischt. Jedenfalls hat es ihn lange genug aufgehalten, daß
     ich entkommen konnte!«
    Johanna starrte auf die Klinge, die dunkel und stumpf von geronnenem Blut war. »Vaters Messer.«
    Johannes’ Gesicht nahm einen mürrischen Ausdruck an. »Ja. Ich hab’s mir genommen. Warum auch nicht. Schließlich wollte
er
ja unbedingt, daß ich fortgehe. Ich selbst wäre lieber zu Hause geblieben.«
    »Schon gut«, sagte Johanna hastig. »Steck es jetzt fort. Wir müssen uns beeilen, wenn wir vor Tagesanbruch am Treffpunkt der
     Männer des Bischofs sein wollen.«
    »Am Treffpunkt? Aber jetzt brauche ich doch gar nicht mehr nach Dorstadt. Nach dem, was geschehen ist …«, er wies mit |106| dem Kopf in die Richtung, wo der ermordete Gesandte lag, »… kann ich wieder nach Hause.«
    »Nein, Johannes.
Denk nach
. Vater weiß jetzt, daß der Bischof dich an die Domschule holen möchte. Da wird er niemals erlauben, daß du zu Hause bleibst.
     Er wird irgendeine Möglichkeit finden, dich zur
scola
zu schicken, selbst wenn er dich persönlich dorthin bringen müßte. Außerdem«, Johanna zeigte auf das Messer, »wird er längst
     entdeckt haben, daß du ihm die Waffe weggenommen hast, wenn wir nach Hause kommen.«
    Johannes blickte verwirrt drein. Offensichtlich waren ihm diese Gedanken noch gar nicht gekommen.
    »Es wird schon alles gut. Ich bleibe bei dir, Johannes, und ich werde dir helfen.« Sie zupfte am Ärmel seines Umhangs. »Komm.«
    Hand in Hand setzten die Geschwister unter dem aufhellenden Himmel den Weg zum Treffpunkt fort, an dem die restlichen Männer
     des bischöflichen Reitertrupps warteten.

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    |107| 7.
    Sie gelangten an die Weggabelung, als die Sonne noch tief am Himmel stand, doch die Männer des Bischofs waren bereits wach
     und warteten ungeduldig auf die Rückkehr ihres Kameraden. Als Johanna und ihr Bruder erzählten, was geschehen war, wurden
     die Männer mißtrauisch. Sie nahmen Johannes’ Jagdmesser mit dem Hirschhorngriff und untersuchten es sorgfältig. Johanna flüsterte
     ein Dankgebet, daß sie daran gedacht hatte, die Waffe in einem Bach gründlich zu säubern und sämtliche Blutspuren zu beseitigen.
     Dann ritten die Männer in den Wald, um den Leichnam ihres Gefährten zu bergen, wobei sie Johanna und Johannes mitnahmen. Als
     die Leute des Bischofs den gelbgefiederten Pfeil entdeckten, der aus dem Körper des Toten ragte, fanden sie die Geschichte
     bestätigt, die die Kinder ihnen erzählt hatten. Aber was sollten sie mit dem Leichnam ihres Kameraden anfangen? Es war unmöglich,
     ihn den ganzen Weg nach Dorstadt mitzuführen; denn die Reise dauerte vierzehn Tage, und die Frühlingssonne hatte bereits Kraft
     und schien warm vom Himmel. Schließlich beerdigten die Männer ihren Gefährten im Wald und stellten ein grob gezimmertes Holzkreuz
     am Grab auf. Johanna sprach ein Gebet, das die Leute des Bischofs tief beeindruckte; denn wie ihr toter Gefährte beherrschten
     sie kein Latein.
    Da sie damit gerechnet hatten, ein Mädchen zu eskortieren, wußten die Männer zu Anfang nicht so recht, was sie mit Johannes
     anfangen sollten. Johanna beharrte standhaft darauf, von ihrem Bruder begleitet zu werden, und da den Gesandten des Bischofs
     durch den Mord an ihrem Kameraden ein Mann fehlte, willigten sie schließlich ein.
    Es war eine beschwerliche Reise nach Dorstadt, zumal die Männer der Eskorte es eilig hatten, nach Hause zu kommen, so daß
     sie jeden Tag lange und hart ritten. Doch die Beschwernisse der Reise machten Johanna nichts aus; sie war |108| fasziniert von der Landschaft, die sich ständig veränderte, und von der neuen Welt, die sich jeden Tag vor ihr auftat. Endlich
     war sie frei – frei von Ingelheim und den Zwängen und Beengtheiten ihres dortigen Lebens. Sie ritt mit der gleichen Freude,
     voller Neugier und Staunen, durch stille kleine Dörfer wie durch große, geschäftige Städte. Johannes hingegen wurde immer
     mürrischer, da es an ausreichend Nahrung und Muße fehlte. Johanna versuchte, ihn zu besänftigen, doch seine Stimmung wurde
     durch die beinahe mütterliche Besorgtheit der Schwester nur noch schlechter.
    Zur Mittagszeit des zehnten Tages erreichten sie den Bischofspalast – müde, schmutzig und sattelwund. Der Kammerherr warf
     einen mißbilligenden Blick auf die beiden schmutzigen Kinder in ihrer speckigen, abgerissenen Bauernkleidung und erteilte
     sofort den Befehl,

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