Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
lief mit dem eiswürfelgefüllten Handtuch ins Bad, putzte mir die Zähne und duschte in Rekordzeit. Meine Haare waren noch nicht ganz trocken, aber das war jetzt egal. Ich flitzte zurück in mein Zimmer, um mich anzuziehen und blieb wieder verdattert stehen. Da lag das Abendkleid von dem ich geträumt hatte. Das Kleid, in dem ich mit Richard Cosgrove getanzt hatte.
War alles gar kein Traum gewesen?
Schnell hängte ich es ordentlich auf einen Bügel und verstaute es in der hintersten Ecke meines Schrankes. Nicht auszudenken, wenn Mum es finden würde.
»Meine Güte, Felicity, hat dich Lee gegen eine U-Bahn geschubst?«, fragte Phyllis, als sie mich sah.
»O Gott. Sieht es so schlimm aus?«, fragte ich und tastete vorsichtig an meine Stirn. Verflixt, tat das weh!
»Was ist passiert?« Jayden begutachtete meine Beule wie ein angehender Arzt.
»Ich Depp bin gegen den Balken über meinem Bett gestoßen«, antwortete ich knapp. »Wo ist Lee?«
»Lee?«
»Ja, Lee. Ich muss mit ihm sprechen.«
Ich sah ihre verständnislosen Gesichter. Kein Wunder, immerhin war er öfter in meiner Gesellschaft anzutreffen, als bei jedem anderen an der Schule. Und wenn ich es nicht wusste … Vielleicht Felicity Stratton?
Ich stellte mich auf Zehenspitzen und versuchte seine lange Gestalt zwischen all den Menschen im Gang auszumachen.
»Ich weiß nicht. Sonst ist er immer pünktlich«, meinte Ruby. »Hast du schon Phyllis Foto gesehen? Sie hat es geschafft, sich mit allen Stars gestern Abend fotografieren zu lassen. Auch mit Richard Cosgrove.«
Na, wenn die wüssten … »Ehrlich? Wow! Kann ich sie gleich sehen?«, antwortete ich und bemühte mich interessiert zu wirken. »Sobald ich mit Lee gesprochen habe.«
Aber er kam nicht. Der Gong läutete zum Unterrichtsbeginn und Lee tauchte nicht auf.
Ich warf meine Schultasche enttäuscht in die Ecke. Lee war den ganzen Rest der Woche nicht in der Schule gewesen. Wo hatte er gesteckt? Warum war er für niemanden zu erreichen? Krank, hatte Mr Singer gesagt. Krank? Lee? Irgendwie passten diese beiden Wörter nicht zusammen. Er konnte sich denken, dass ich noch tausend Fragen an ihn hatte und dass ich mich für mein abweisendes Verhalten entschuldigen wollte. Und natürlich wollte ich mich noch einmal für eine märchenhafte Nacht bedanken. Aber ich konnte ihn nirgends erreichen. Sein Handy war abgeschaltet und bei sich zu Hause ging niemand ans Telefon. Das hatte er zwar prophezeit, weil seine Eltern beide oft im Ausland unterwegs waren, trotzdem hatte ich es zu allen Uhrzeiten versucht. Am Berkeley Square öffnete auch niemand.
Ich warf mich aufs Bett und grübelte darüber nach, was ich wohl getan haben könnte, um ihn zu vergraulen. Ob er wieder die Geschichte ändern wollte? Sobald ich diesen Gedanken dachte, schämte ich mich schon dafür. Er war so großartig gewesen, ich hatte mir doch fest vorgenommen, diese seltsamen Vorkommnisse zu vergessen und nur noch nett zu ihm zu sein!
Dann ging mir zum ersten Mal auf, dass ich noch nie darüber nachgedacht hatte, warum ich nicht für Lee schwärmte – zumindest nicht so, dass ich ihn in eine dunkle Ecke zerren, heiraten und fünf Kinder mit ihm in die Welt setzen wollte. Also so wie der Rest meiner Schülerinnen sowie Lehrerinnen und sogar Thomas Michaels aus der Oberstufe, der ihn ebenso anhimmelte.
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und begann eine Liste zu erstellen: Erstens, er war … hm. Sexy. Eigentlich keine schlechte Eigenschaft. Er war groß. Aber nach intensivem Überlegen kam ich zu dem Schluss, dass ich große Männer eigentlich immer recht attraktiv fand. Nein, das war es nicht. Ich mochte auch seine strubbeligen Haare und es war egal, ob er glatt rasiert war oder Bartstoppeln hatte. Außerdem hatte er schöne Augen. Blau, meinen eigenen recht ähnlich. Aber eigentlich noch intensiver. Manchmal erschienen sie mir dunkler, dann wieder heller. Nein, daran lag es ebenfalls nicht. Es war mehr seine Aura. Ich hatte das dumpfe Gefühl, er war nicht der, für den er sich ausgab. Die Antworten auf meine Fragen kamen ihm zu leicht über die Lippen. Er wirkte mitunter gefährlich. Ich würde nie seinen Ausraster gegenüber Jack Roberts vergessen.
Und dann fiel mir ein, dass er nie durch seine Haare fuhr. Er machte nie die typischen Jungs-Gesten. Zum Beispiel an der Nase kratzen oder sich in den Nacken fassen. Nein, das höchste der Gefühle war Hände in den Hosentaschen vergraben. Ich hatte auch noch nie seine kompletten
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