Die Pan-Trilogie, Band 1: Das geheime Vermächtnis des Pan (German Edition)
nachdem ich getrunken hatte. »Gibt es hier irgendwo ein Loch?«
Lee setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber und lächelte mitfühlend. »Du brauchst heute kein Loch, Fay. Du bezauberst alle.«
»Woher kennst du die eigentlich alle?«, fragte ich und betrachtete ein wenig neidisch seine lockere Haltung. Er schien sich hier genauso wohl zu fühlen wie in unserer Mensa. »Du bist achtzehn und jeder hier begrüßt dich, als würden sie dich seit Ewigkeiten kennen. Woher kennst du Richard Cosgrove?«
»Hat er nichts von unserem gemeinsamen Schuljahr erzählt?«, fragte Richard, der mir einen Teller vor die Nase stellte. Er sah meinen ungläubigen Blick und interpretierte ihn falsch. »Ich wusste nicht, was du magst, also habe ich von allem etwas geholt.«
»Äh. Danke.« Ich begutachtete die exotischen Sachen, die sich vor mir türmten. Garnelen, Oliven, Artischocken, Melone, Schinken und … waren das Runzelige da etwa Tomaten?
»Probier die getrockneten Tomaten. Die sind gut«, empfahl Lee.
Es war wirklich unheimlich. Woher wusste er, dass ich nichts davon kannte – mit Ausnahme von Schinken und Melone?
Mum hatte noch nie Oliven gekauft. Geschweige denn Garnelen. Nur Muscheln gab es hin und wieder. Ich dachte: Was soll‘s. Du träumst das hier eh. Dann kannst du das auch alles essen. Und ich langte zu.
»Ihr wart zusammen in der Schule?«, fragte ich nach ein paar Oliven und Garnelen. (Sie waren wirklich gut. Aber die Tomaten sahen noch immer zu suspekt aus.)
»In Los Angeles. Ein Jahr High-School. Soccer-Team«, erklärte Richard.
Ich starrte Lee groß an.
Er zuckte die Schultern. »Ist fünf Jahre her. Aber wir stehen noch ständig in Kontakt. Sofern es Richards Terminkalender zulässt.«
»Und woher kennen dich all die anderen hier?«
»Ich habe ihn vor drei Jahren zu jeder Premiere mitgeschleift«, sagte Richard, als wolle er sich dafür entschuldigen. »Dann hatte ich wenigstens immer jemanden, mit dem ich mich normal unterhalten konnte.«
Ich starrte von Lee zu Richard und wieder zurück.
»Iss, Fay, ehe es kalt wird«, sagte Lee.
»Das ist alles kalt«, erwiderte ich indigniert, aß aber weiter. »Findet ihr beide wenigstens hin und wieder Zeit, um Soccer zu spielen?«, fragte ich nach einer Weile.
»Leider nur noch selten. Außerdem foult Lee zu oft.« Richard grinste und sofort begann Lee alles abzustreiten. Eine harmlose Kabbelei entbrannte. Als mein Teller bis auf die Tomaten leer war, stand Richard auf.
»Was dagegen, wenn ich deine Freundin zum Tanz entführe?«, fragte er Lee. Einen Moment lang, sah Lee aus, als hätte er tatsächlich etwas dagegen, aber dann lächelte er mir mit diesem schiefen Lächeln zu und winkte uns in Richtung Tanzfläche.
»Ich fasse es nicht«, murmelte ich, als wir uns zu den Takten von Amy Winehouse bewegten. »Kannst du mich mal zwicken?«
Richard lachte und kneifte mich ziemlich fest in den Po.
»Au!«, rief ich empört.
»Was denn? Du wolltest doch …«
»Oh, schon gut. Ich hab‘s verdient. Aber ja nicht noch mal.«
»Bist du verrückt? Lee würde mich umbringen.«
Ich sah ihn erstaunt an, dann wehrte ich schnell ab. »Nein, nein, so ist das nicht zwischen uns. Er ist in meiner Klasse, ein Schulfreund, aber wir sind nicht liiert.«
Ungläubig verzog Richard den Mund.
»Ja, wirklich«, versicherte ich ihm schnell. »Er …er …«
»Er …?«, hakte er nach.
Wie konnte ich ihm wohl begreiflich machen, dass dunkelhaarige kleine Männer mehr mein Ding waren? Er schien echt eng mit Lee befreundet zu sein. Und Lee hatte sich heute Abend selber übertroffen. Er war so aufmerksam und großzügig gewesen. »Er macht mir manchmal Angst«, gestand ich schließlich. Im selben Moment hätte ich mir am liebsten die Zunge abgebissen. Das hatte ich noch keinem anvertraut, aber es war wahr. Welcher normale Achtzehnjährige konnte schon Jon George zu unmöglichen Zeiten mit Sonderwünschen beauftragen? Wie schaffte er es, immer da aufzutauchen, wo ich gerade war?
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Richard langsam und ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass er mich richtig ansieht. »Aber ich sag dir was: Es gibt keinen treueren und aufopferungsbereiteren Freund als ihn. Er ist mein bester Freund. Auch nach all den Jahren.« Dann lächelte er plötzlich und schwenkte mich übermütig. »Habe ich dir schon gesagt, dass du ein wahnsinnig schönes Kleid trägst? Steht dir wirklich gut.« Er wirbelte mich ungestüm über die Tanzfläche, bis ein anderes Lied
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