Die Papiermacherin
Arnulf.
Fra Branaguorno zuckte kurz mit den Schultern. »Es ist einfach ein Gefühl, aber das hat mich in solchen Dingen selten getrogen.«
Li war zusammen mit Christos damit beschäftigt, in der Werkstatt alles aufzuräumen. Das würde sicher mehrere Tage dauern, sodass nicht daran zu denken war, die normale Arbeit wieder aufzunehmen. Die Mengen an Papier, die sie zu liefern versprochen hatte, waren auf keinen Fall einzuhalten. Im Obergeschoss lagerten zwar noch stapelweise Bogen, die unversehrt geblieben waren und ordnungsgemäß ausgeliefert werden konnten, aber danach würde es zwangsläufig Verzögerungen geben. Dazu kam, dass sich heute erstmals – abgesehen von Christos – keine weiteren Tagelöhner gemeldet hatten, um sich bei ihr zu verdingen.
»Das braucht Euch nicht zu verwundern, Evangelia«, meinte der Blinde. »Was Eurer Werkstatt geschehen ist, spricht sich herum und vergrößert die Angst bei den Seelen, die ohnehin von ihr geplagt werden.«
»So muss ich dir wohl den Lohn erhöhen, damit mir nicht auch der letzte Getreue noch von der Fahne läuft!«, meinte Li.
»Das wäre zu gütig!«
»Es wäre verdient«, fand Li.
Sie arbeiteten den ganzen Morgen, machten nur eine kurze Pause und arbeiteten schließlich weiter.
Als es am Nachmittag an der Tür klopfte, dachte sich Li zunächst nichts dabei. Schließlich hatte sie an diesem Tag schon ein Dutzend Kunden, die gerne Papier gekauft oder in Auftrag gegeben hätten, abweisen und auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten müssen.
Doch als sie nun öffnete, verschlug es ihr den Atem.
Die riesenhafte Gestalt von Thorkild Larsson Eisenbringer stand vor ihrer Tür. Er trug ein Schwert an der Seite, das am Griff mit einem Edelstein besetzt war. Die Silberfibel seines Umhangs zierten kunstvolle Gravuren – Runen und Zauberzeichen seiner weit entfernten Heimat. Dass er außerdem ein Kreuz um den Hals trug, war nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Er hielt es wohl wie viele, die weit herumkamen und auf ihren Reisen nicht nur Erfahrungen und Waren, sondern auch Götter und Überzeugungen sammelten. Für viele Nomaden der Steppen, die sich nicht zwischen Mani und Mohammed entscheiden mochten, galt das genauso wie für die Nordmänner, die zu Jesus beteten und bei Thor fluchten.
In Thorkilds Augen blitzte es auf eine Weise, die Li wie eine unausgesprochene Drohung erschien. Sie wich einen Schritt zurück.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, gelbe Frau!«, sagte er und grinste dabei breit. Er trat ein, obwohl Li es ihm nicht erlaubt hatte. Mit dem Stiefel sorgte er dafür, dass die gerade einigermaßen reparierte Tür sich schloss. Sein falkenhafter Blick glitt durch den Raum. Christos stand in der Tür, und auch er wirkte wie erstarrt.
»Was willst du?«, fragte Li und sah ihn dabei geradewegs an. Es gab keinen Grund, die Augen vor ihm niederzuschlagen oder sich allzu unterwürfig zu zeigen. Sie war schließlich nicht mehr seine Gefangene, die er nach Gutdünken verkaufen konnte.
»Ich bin erst vor Kurzem zurückgekehrt und habe schon viel über dich gehört«, sagte er. Er lachte rau. »Im Grunde war es Zufall, denn was hätte mich das verworrene Schicksal einer gelben Frau interessiert? Aber ich erfuhr von dir, als ich Erkundigungen über einen Mann namens Arnulf von Ellingen einzog …«
Er kam noch etwas näher.
»Wer immer Ihr seid, Ihr solltet den Respekt wahren!«, mischte sich nun Christos ein.
»Daran sieht man, dass du in Wahrheit eben doch keine Herrin geworden bist, wenn du Knechte für dich sprechen lässt!«
»Was führt dich her, Thorkild?«, sagte Li nun.
»Ich wollte mir selbst ein Bild davon machen, was aus dir geworden ist. Mein Freund Ragnar der Weitgereiste scheint ja mit deinem Handwerk gute Geschäfte zu machen …« Er ging einmal quer durch den Raum, als wäre er selbst hier der Herr. Dann näherte er sich Li noch einmal, musterte sie spöttisch von oben bis unten und stellte dann fest: »Du hast schnell gelernt, wie man hier auftritt! Richte Arnulf von Ellingen die besten Grüße von mir aus und sage ihm, dass er sich nicht zu sicher fühlen soll. Was im Palast geschah, ist nicht vergessen! Hast du gehört?«
»Das habe ich gehört.«
Grußlos ging Thorkild zur Tür und öffnete sie. Dann trat er, ohne sich noch einmal umzudrehen, ins Freie.
»Ihr scheint nicht nur mächtige Freunde, sondern auch mächtige Feinde zu haben«, meinte Christos.
»Ich halte es wie du, Christos: Ich habe mir verboten,
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