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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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hatte sie auch gehofft, dass Arnulf noch bei ihr vorbeikommen werde. Aber er musste an diesem Abend eine andere Verabredung einhalten. Es schien mit seiner Mission zusammenzuhängen – oder aber der immer etwas missmutig wirkende Fra Branaguorno hatte ihm nun endgültig verboten, sich ihr noch einmal zu nähern. Aber eigentlich glaubte sie nicht, dass Arnulf sich von seinem mönchischen Begleiter so weitgehende Vorschriften machen ließ.
    Li blieb vor der Tür stehen. Die Aussprache mit Bruder Anastasius hatte ihr gutgetan und ihr geholfen, zumindest innerlich der von ihr stets angestrebten Harmonie wieder etwas näher zu kommen. Was sich nicht ändern ließ, musste sie hinnehmen. Der Steppenwind brach manchmal einen Baum, aber niemals das Gras, das sich mit ihm bog.
    Die Erinnerung an das Gespräch mit Bruder Anastasius mischte sich mit den Stimmen aus der Werkstatt. Sie hörte Christos sprechen, dem eine ihr unbekannte Stimme antwortete. Sie gehörte zweifellos zu einem Mann, und er sprach das Griechische jedenfalls nicht auf die Art vieler Nordmänner aus. Es handelte sich also weder um Thorkild noch um einen seiner Helfer und Freunde, die er wohl noch immer in großer Zahl in Konstantinopel hatte.
    Noch ehe sie sich entschlossen hatte, die Tür zu öffnen, tat diese sich plötzlich auf. Christos stand vor ihr. Seine blinden, blicklosen Augen waren auf sie gerichtet. Ein Lächeln erschien in seinem Gesicht.
    »Ich wusste doch, dass Ihr an der Tür seid, Evangelia«, stellte er fest. »Kommt herein …«
    »Wer ist denn noch in der Werkstatt?«
    »Wir haben Besuch – wichtigen Besuch.«
    Li trat ein. Sie war überrascht, Arnulf zu sehen, der neben der Tür zum Nachbarraum an der Wand lehnte und dessen Stimme sie draußen nicht gehört hatte.
    Er lächelte sie an. »Wir haben schon auf dich gewartet«, sagte er.
    Links neben ihm stand ein schlanker, dunkelhaariger Mann mit einem enganliegenden Wams von überaus edler Ausstattung, wie Li auf den ersten Blick bemerkte. Der Kragen war aufwändig gearbeitet, und es gab ein paar dezente Stickereien mit silberfarbenem Faden. Sein Umhang war aus dunklem Samt und passte zu der Mütze mit auffälligen Fasanenfedern, die er auf dem Kopf trug. Ein Zierdolch am Gürtel und eine mit auffälligen Applikationen besetzte Geldbörse passten ebenso ins Bild wie die sorgfältig verarbeiteten Schuhe.
    Männer wie diesen hatte Li des Öfteren in den Straßen Konstantinopels gesehen. Li erkannte in ihm sofort den venezianischen Händler – und der Akzent, der ihr draußen aufgefallen war, sprach ebenfalls dafür.
    »Dies ist Lorenzo D’Antonio«, erklärte Arnulf. »Er gehört zu einer der angesehensten Familien von Venedig und interessiert sich für die Kunst der Papierherstellung!«
    Li war überrascht. Sie wandte Lorenzo ein Gesicht zu, das nichts von dem preisgab, was sie im ersten Moment über den Venezianer gedacht hatte. Sie hielt ihn nämlich für einen Blender. Jemand, der mehr zu scheinen versuchte, als er war.
    Ihr Lächeln war jetzt eine unergründliche, aber schön anzusehende Fassade. »Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte sie auf Latein, woraufhin Lorenzo D’Antonio ihr in dieser Sprache antwortete, die ihm sichtlich leichter fiel als das Griechische. Dabei flocht er allerdings immer wieder einige Wörter oder gar Sätze in seiner venezianischen Mundart ein. Li konnte ihn trotzdem gut verstehen.
    »Eure Kunst wurde mir sehr empfohlen, Evangelia. Aber ich hörte, dass dies nicht Euer Geburtsname ist und Ihr eigentlich aus dem fernen Reich der Mitte stammt.«
    »Mein Handwerk ist dort viel verbreiteter als hier«, sagte Li. »Ich lernte es von meinem Vater, und bisher waren diejenigen, die Papier von mir anfertigen ließen, stets mit meiner Arbeit zufrieden. Welche Wünsche habt Ihr in dieser Hinsicht?«
    »Zunächst nur den einen: Ich möchte ein paar Proben Eurer Kunst sehen, wenn das möglich ist.«
    »Gewiss. Leider sind durch den Anschlag von Fanatikern alle Papiervorräte, die im Untergeschoss lagerten, verlorengegangen. Ihr müsst Euch also die Treppe hinauf bemühen.«
    Li nahm einen Kerzenleuchter und führte Lorenzo zuerst in den Nachbarraum und dann die Treppe hinauf. Als er die Bottiche mit den Lumpen und den Resten vom Papierbrei sah, verzog er das Gesicht. »Eure Kunst scheint – wie viele schöne Dinge – etwas unreinlich zu sein«, stellte er fest.
    Arnulf folgte ihnen, und Li führte sie in den größeren der beiden Räume, wo

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