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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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hielten Fackeln, zwei weitere ruderten das Boot durch das dunkle Wasser, das die Gewölbe erfüllte. Ein großer Teil Konstantinopels war von solch gewaltigen Wasserspeichern unterhöhlt, die unterirdischen Seen glichen. Es war eine zweite Stadt in der Tiefe, getrennt von jener, die man an der Oberfläche sehen konnte, wie das Himmelreich von der Hölle und gestützt von einem ganzen Wald aus massiven Säulen. Neben den Mauern, der Eisenkette und dem griechischen Feuer war diese feuchte Unterwelt ein entscheidender Grund für die Uneinnehmbarkeit der Stadt. Die Regenmengen ganzer Jahre wurden hier gesammelt. Mittlere Flüsse hätte man über Monate mit diesem Wasser speisen können.
    Es hatte von jeher eine große Furcht unter den Herren der Stadt gegeben. Ihr Alptraum war, dass ein Belagerer sie vom Wasser der großen Aquädukte abschneiden könnte, die Konstantinopel normalerweise versorgten. Und es wäre sicher auch nicht unmöglich gewesen, den schmalen Lykos ins Goldene Horn abzuleiten oder zu stauen, wenn man die Stadt vollkommen auf dem Trockenen sitzen lassen wollte. Gegen diese Gefahr schützten keine Söldner und keine Mauern – wohl aber ein ausreichender Vorrat an Wasser in den Speichern unter der Stadt.
    Doch hier unten geschahen auch andere Dinge. Unaussprechliche Dinge, von denen kaum jemand Näheres zu wissen wünschte. Es gab Verliese, Gänge und Gewölbe – darin ruhten die Skelette jener, die man hier herabgeführt hatte, um sie für immer verschwinden zu lassen.
    So mancher Kaiser mochte unter ihnen sein.
    Wieder gellte ein unmenschlicher Schrei durch die schaurigen Hallen.
    Das Boot legte an einer Kanzel aus massivem Stein an. Der fünfte Wächter sprang an Land und befestigte das Tau. Dann verließ auch Petros Makarios das Boot. Am Ende der Steinkanzel öffnete sich ein Korridor. Das unruhige Licht der Fackeln erhellte ihn spärlich.
    Die Schreie wurden lauter. Schließlich erreichte der erste Logothet des Kaisers einen notdürftig beleuchteten Raum. Der Geruch von Lampenöl mischte sich mit dem von Schweiß und Blut. In mehrere Richtungen zweigten Gänge von diesem Raum ab, aus denen Schreie drangen. Aus einem dieser Gänge löste sich ein großer Schatten und trat hervor.
    Es war Godmund, ein Hauptmann der Warägergarde. Sein Rock war blutbesudelt – und in den Händen hielt er eine Reihe von Papieren.
    »Diese Papiere haben wir bei den bulgarischen Spionen gefunden, die wir gefangen genommen haben. Ich dachte, dass Ihr sie persönlich in Augenschein nehmen wollt …«
    »Es ist gut, dass Ihr damit zuerst zu mir kommt, Godmund.«
    Petros Makarios nahm eines der Blätter entgegen, faltete es auseinander und zog daraufhin die Stirn in Falten. Er hielt es gegen das Licht einer der Fackeln.
    »Das dachte ich mir«, murmelte er, als er das Wasserzeichen sah.
    »Und da ist noch etwas. Dieser Sachse und sein mönchischer Begleiter …«
    »Sie müssen verschwinden, ich weiß«, murmelte Petros Makarios.
    Li schreckte hoch. Mitten in der Nacht hämmerte es an der Tür. »Arnulf!«, flüsterte sie, aber dann stellte sie fest, dass das Lager neben ihr leer war.
    Sie hörte, wie er die Treppe hinunterging, stand auf und warf sich schnell etwas über, bevor sie ihm folgte. Als sie die Tür des Vorraums erreichte, sah sie im Halbdunkel, wie Arnulf die Tür öffnete.
    Eine Gestalt in einer Kutte drängte herein. In der Dunkelheit war wenig mehr als ein Schatten zu sehen. Aber die Stimme erkannte Li sofort. Es war die von Fra Branaguorno. Allerdings redete er in der Sprache der Sachsen, und so konnte Li kein Wort verstehen. Nur dass er entgegen seiner sonstigen Art ziemlich aufgebracht war, wurde überdeutlich.
    »Was ist los?«, fragte Li und trat näher. »Warum dieser nächtliche Besuch?«
    »Er sagt, dass wir fortmüssen«, erklärte Arnulf. »Und zwar jetzt, noch in dieser Stunde …«
    »Aber … warum? Was ist geschehen?«
    »Man hat bulgarische Spione festgenommen und bei ihnen verräterische Dokumente gefunden. Die Papiere trugen ein Wasserzeichen, das Ihr für den Hof erschaffen habt!«, sagte nun Fra Branaguorno an Li gewandt. »Diese Dokumente waren wohl dafür gedacht, kaiserliche Anordnungen zu fälschen und damit Unheil anzurichten – etwa die Tore zu öffnen.«
    »Aber das kann doch nicht sein!«, stieß Li hervor. »Die Wasserzeichen befinden sich im Palast …«
    »… wenn nicht gerade Ihr damit arbeitet«, schnitt Fra Branaguorno ihr das Wort ab. »Also zwei Personen, die

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