Die Partie. Thriller (German Edition)

Knallen eines Sektkorkens für einen Pistolenschuss. Vor dem Hauptportal bleibt er stehen. Soll doch sein Kollege mit dem Mann glücklich werden. Aus Langeweile liest Jagdmann die Gedenktafel, die links neben dem Eingang angebracht ist:
    EHEMALIGE STERNWARTE
    ERBAUT UNTER CARL THEODOR
    1772–1774
    HIER WIRKTE DER
    KURFÜRSTLICHE ASTRONOM
    P. CHRISTIAN MAYER
    GEST. 16. APRIL 1783
    Er langt sich an den Kopf. Heute Morgen hat man allen Streifen die Nachricht durchgegeben, man solle auf alles Ungewöhnliche achten, was mit dem historischen Kurfürsten Carl Theodor zusammenhängt, und sofort Meldung erstatten. Direkte Anweisung vom BKA. Er hat eigentlich gedacht, das sei ein Scherz gewesen.
    »Was guckst du denn so belämmert«, fragt sein Kollege, der auf ihn zuläuft.
    »Funk mal bei der Zentrale durch«, sagt Jagdmann und denkt wieder an das BKA. Vielleicht ist das eine Nummer zu groß für ihn.
    »Die sollen sich das hier anschauen. Wir warten erst mal schön ab.«

38
     
    In der Dunkelheit ist Frank ganz die Krähe . Ohne Licht fühlt er sich wohl. Er hat die Sicherungen im Erdgeschoss der Sternwarte herausgedreht und weggepackt. Er hat alle Türen verschlossen. Dann hat er die Nachtsichtbrille aufgesetzt. 400 Euro bei einem Internetshop.
    Ein unglaublicher Preisverfall. In den Neunzigern, in Bosnien, waren die Dinger noch wahrer Luxus.
    Er kontrolliert seine Waffen, die halbautomatische Pistole und das Tauchermesser. Vorsichtig setzt er einen Fuß nach dem anderen auf die Treppe, um nach Möglichkeit keinen Lärm zu machen.
     
    Kimski greift nach seiner Glock und will die daran angebrachte Lampe einschalten. Noch bevor er den Lauf der Waffe berührt, erinnert er sich daran, dass er die Leuchte gestern Nacht für sein Ablenkungsmanöver weggeworfen hat. Er hat keine Möglichkeit gehabt, die Lampe wieder einzusammeln.
    Jetzt herrscht totale Dunkelheit. Die Fenster sind sehr akkurat zugehängt worden. Schweiß tropft von seiner Stirn, als Kimski sich durch den Raum tastet.
    Erst jetzt bemerkt er, wie abgestanden die Luft hier ist. Soll er nach einem Fenster suchen und versuchen, den Stoff herunterzureißen? Was, wenn der Feind in diesem Moment den Raum betritt? Dann verrät er seine Position. Was plant dieser Frank? Wie will er vorgehen? Hat er eine Taschenlampe bei sich oder kennt er sich in dem Zimmer so gut aus, dass er sich im Dunkel zurechtfindet?
    Kimski bleibt stehen. Er dreht sich um und bewegt sich in die Richtung, in der er die Tür in Erinnerung hatte. Sein Gegenspieler will sich den Überraschungseffekt zunutze machen, also muss er selbst auf Risiko spielen und den Spieß umdrehen.
    Das Atmen des Oberbürgermeisters zu seiner Rechten wird immer lauter. Hinter ihm lacht der Entführer. Nur Eva kann Kimski nicht lokalisieren.
    »Suchen Sie sich eine Deckung, irgendwo an der Wand!«
    Ein Rumpeln ertönt. Er nimmt es als Zeichen, dass Eva seinen Hinweis befolgt und nach einem Versteck sucht. Er hält die Arme ausgestreckt vor sich und kann so verhindern, dass er mit dem Kopf gegen die Türkante knallt. Er ertastet die Gegebenheiten und stellt sich hinter die geöffnete Tür, die Glock im Anschlag.
    Im Treppenhaus knarrt es immer wieder. Leise, kaum hörbar – aber es lässt sich nicht verleugnen. Ein Mensch, der versucht keine Aufmerksamkeit zu erregen, steigt die Stufen empor.
    Kimski atmet flach. Noch einmal ächzt eine der zweihundert Jahre alten Holzstufen unter dem Gewicht eines Mannes. Diesmal viel lauter. Viel näher.
    Dann wieder Stille.
    Kimski konzentriert sich. Er kann nichts mehr hören. Er hat das Gefühl, als würde jemand neben ihm stehen. Seine Muskeln verkrampfen sich.
    Auf einmal knarrt es. Es dauert einen kurzen Moment, bis Kimski realisiert, dass es der Boden unter seinen Füßen ist, der das Geräusch gemacht hat. Er hat sich bewegt.
     
    Frank steht im Türrahmen. Die Welt vor seinen Augen ist in ein dunkles, wildes Grün getaucht. In einer Ecke des Raumes sieht er den Oberbürgermeister, noch immer gefesselt. Keine Bedrohung.
    Wenige Meter daneben sitzt der Meister auf dem Boden. Frank wird sich später um ihn kümmern. Wo sind die Eindringlinge?
    Als es hinter der Tür knarrt, zieht er das Messer aus der Tasche.
    Nicht überstürzt handeln. Der Gegner soll nicht sofort merken, dass er ihn entdeckt hat. Vorsichtig macht Frank einen Schritt zurück; weg von der Tür. Mit einer plötzlichen Bewegung reißt er sie zurück. Er sieht Kimski. Frank holt aus. Die Klinge rast nach vorne.