Die Partie. Thriller (German Edition)
kennt. Warum schauen Sie denn so erstaunt, Kimski? Was hat Sie Ihnen denn erzählt?«
»Ich kann das alles erklären«, sagt Eva prompt.
»Ist das nicht lustig«, sagt der Entführer, »sie hat Ihnen nicht die Wahrheit gesagt, wer sie ist – und Sie haben ihr nicht gesagt, dass Sie mein Geld genommen haben. Sie beiden sind mir ein schönes Team.«
»Ich arbeite an einer Reportage über Polizeikorruption«, sagt Eva.
»Da haben Sie ja denn richtigen Polizisten gefunden.«
Kimski starrt wieder zu Eva.
»Allerdings privat«, sagt sie, »auf eigene Faust. Ich hab schon lange keine Aufträge mehr als freie Journalistin bekommen, also wollte ich mir selbst ein Thema aussuchen – ein reißerisches Thema am besten. Ich habe gehofft, wenn ich langsam eine Vertrauensbasis zu einem Polizisten aufbauen könnte, würde ich vielleicht an Informationen kommen, die normalerweise niemand ausplaudert.«
»Wunderbar, dann hören Sie sich diese Geschichte an. Gestern, kurz nachdem ein Polizist namens Meier getötet wurde, rief ich Ihren neuen Freund Kimski an. Ich bot ihm die Summe von 100.000 Euro an, wenn er die Ermittlungen auf eigene Faust gewissenhaft durchführen würde. Um meinen guten Willen zu unterstreichen, ließ ich eine Anzahlung in seinem Briefkasten deponieren. Wie Sie sehen, ist er auf mein Angebot eingegangen.«
»Hören Sie auf«, sagt Kimski. »Nehmen Sie den Revolver runter. Ich werde dieses Spiel, wie Sie es nennen, jetzt beenden.«
»Nicht so schnell! Geben Sie mir etwas Zeit, mich zu erklären.«
»Wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen – in die Sternwarte, meine ich«, fragt Eva.
»Ja, das ist interessant. Eigentlich wird dieses historische Bauwerk von Künstlern der Freien Akademie bewohnt. Durch einen Zufall habe ich davon gehört, dass das Gebäude vorübergehend leer steht, bis man entschieden hat, wer als Nachmieter einziehen kann. Ehrlich gesagt habe ich meine gesamte Unternehmung wegen dieses glücklichen Zufalls um einige Wochen vorgezogen. Was den Einbruch betrifft – darum hat sich mein Sekretär Frank gekümmert.«
»Sie spielten vorhin auf Nietzsche an«, sagt Eva, »was wollten Sie damit sagen?«
»Ah, eine gute Frage. Kennen Sie sein Buch Jenseits von Gut und Böse ? Ich mag den Gedanken, dass absolute Moral nur eine Illusion ist. Wer entscheidet denn, was Gut und was Böse ist? Das sind doch immer die geistig Schwächeren. Die Unterdrückung durch die Großen können sie nur ertragen, indem sie sich einreden, dass sie selbst moralisch überlegen sind. Deshalb brauchen sie ihre Religionen, mit diesen ganzen Wertvorstellungen. Aber: Nur wer fähig ist, sich über die gängige Moral zu stellen, ist auch fähig, über die Menschen zu herrschen.« Er atmet schwer.
»Sie sind verrückt.«
»Mensch, Kimski! Sehen Sie sich doch mal um in der modernen Gesellschaft! Sehen Sie denn nicht diese ganze Dekadenz!«
»Und damit wollen Sie Ihre Morde rechtfertigen?«
»Schon wieder dieses widerliche Wort.«
»Und jetzt halten Sie sich für einen Aufklärer mit Ihren kruden Theorien und wollen eine vergessene Geheimgesellschaft wieder auferstehen lassen?«
»Ich will mehr als das. Ich will endlich eine wirklich große Tat vollbringen. Ich will die Erde von all dem Schmutz befreien, all dem Unwissenden Pöbel, der diese Zeit in seinen Fängen hält. Ich will mich endlich lebendig fühlen, verdammt noch mal! Und ehrlich gesagt: Ich habe meinen Spaß bei diesem Spiel. Sie etwa nicht?«
»Sie sind geisteskrank.«
»Was, glauben Sie, hätte Carl Theodor zu diesen Ideen gesagt?«, fragt Eva.
»Carl Theodor war Großmeister der Zwei Krähen – wie Sie mittlerweile herausgefunden haben sollten. Der wusste auch, wie man sich über die Moral stellt.«
»Das letzte Kapitel seiner Memoiren dürfte Ihnen nicht besonders gefallen haben«, sagt Kimski. »Da beschreibt er, wie sich seine Weltsicht im Laufe der Jahre geändert hat und wie er seinen eigenen Geheimbund zerschlagen ließ. Da er zu der Zeit bereits in Bayern wohnte, schob er die Attentatspläne aber einer bayrischen Organisation in die Schuhe.«
»Ja, nicht jeder wird im Alter klüger. Aber lassen wir das jetzt. Es hat ja doch keinen Sinn, mit Ihnen zu reden.« Er schnaubt. »Dann kommen wir eben sofort zu Ihrem Preis, wenn Sie kein Interesse an einer intelligenten Unterhaltung haben. Ja, Sie brauchen gar nicht so dumm zu gucken, Kimski. Eine Belohnung bekommen Sie, immerhin haben Sie das Spiel gewonnen. Sie haben mich
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