Die Party Queen von Manhattan - Roman
sie zurzeit das Angesagteste unter der Mediensonne, aber Elisa meinte, dass man sie nur in Mode- oder Entertainmentkreisen las. Allerdings prophezeite sie, dass sie sich bald auch noch andere Publikumsschichten erobern würde. Ein wirklich faszinierendes Thema, zumindest für anderthalb Minuten. Dann kam mir die göttliche Eingebung, dass ich mich auch einfach davonstehlen konnte.
Als ich mir einen Weg durch die Tanzenden bahnte, fiel mir erneut auf, wie fantastisch alle aussahen und was für ein wahnsinniges Rhythmusgefühl sie hatten. Im Gegensatz zu mir, denn ich konnte mich zu Musik überhaupt nicht bewegen. Tanzen war noch nie meine Stärke gewesen. Auf der Highschool hatte ich mich zu dem einen oder anderen lahmen Blues über das Parkett schieben lassen (aber niemals zu »Stairway to Heaven«, das mir mit seinen acht Minuten viel zu lang war), und in meiner Collegezeit war ich auch schon mal, wenn ich genug getankt hatte, vor einer Musikbox herumgehüpft. Aber hier kam ich mir vor wie von einem anderen Stern. Mich überfielen die alten Ängste, die ich noch zu gut aus meiner Jugend kannte. Es
war, als wäre ich wieder vierzehn, als starrte die ganze Welt auf meine Zahnspange und meinen Babyspeck. Ich musste sofort hier raus oder zumindest wieder zurück an meinen Tisch, weg aus dieser Tanzhölle. Als ich mich eben zur Flucht entschlossen hatte, legte sich plötzlich eine Hand auf meinen Rücken.
»Hallöchen«, sagte ein Großgewachsener, der so braun gebrannt war, wie es die Outdoorsonne nie hingekriegt hätte. »Wollen wir tanzen?« Er sprach mit englischem Akzent.
Ich konnte mich in letzter Sekunde beherrschen, sonst hätte ich mich umgedreht und vergewissert, ob er nicht vielleicht doch eine andere meinte. Und dann hatte er mich, mit meinem rauchgeschwängerten Atem und meinem nass geschwitzten Top, auch schon an sich gezogen und legte los. Ob wir tanzten? Und ob wir tanzten! Seit sich das letzte Mal in der U-Bahn ein Perverser an mich gepresst hatte, war kein Mensch mehr so eng mit mir auf Tuchfühlung gegangen. Entspann dich, amüsier dich, entspann dich, amüsier dich, sagte ich mir im Stillen vor. Bloß nicht aus der Ruhe bringen lassen. Aber eigentlich war es ganz einfach; mein Gehirn schaltete sich ab, als ich mich an diesen goldhäutigen Gott schmiegte, der mir ein Glas Champagner anbot. Beim ersten ließ ich mir noch Zeit, das zweite kippte ich hinunter, und ehe ich’s mich versah, hockte ich auf seinem Schoß und lachte mit dem Rest der Tischgesellschaft über irgendeine Skandalgeschichte, während der umwerfende Unbekannte mit meinen Haaren spielte und mir die Zigaretten anzündete.
Ich vergaß alles: dass ich vollkommen unpassend in Schwarz gekleidet war, dass ich mich von einer dreikäsehohen Wichtigtuerin hatte beleidigen lassen müssen, die mich schon an der Uni gepiesackt hatte, dass ich keinerlei Rhythmusgefühl besaß. Mit das Letzte, was ich noch mitbekam, war, dass ein Freund des Gottes an den Tisch trat und ihn fragte, wer denn das hinreißende Geschöpf auf seinen Knien sei. Ich kapierte erst, dass es um mich ging, als mich mein schöner Fremder von hinten
umarmte und sagte: »Meine Entdeckung - superb, nicht wahr?« Und ich, das hinreißende Geschöpf, die superbe Entdeckung - lachte glockenhell, drehte mich zu ihm um und küsste ihn. Was dankenswerterweise das Allerletzte ist, woran ich mich erinnere.
8
Eine wütende Männerstimme riss mich aus dem Tiefschlaf. Im ersten Moment dachte ich, jemand stünde neben dem Bett und rammte mir eine Schaufel in den Schädel. Doch es dröhnte so gleichmäßig vor sich hin, dass ich fast wieder eingedöst wäre. Bis mir schlagartig klar wurde, dass ich in einem fremden Bett lag. Auch das komplett schwarze, komplett falsche Outfit der gestrigen Nacht war nirgends zu sehen; stattdessen trug ich extrem knappe graue Boxershorts von Calvin Klein und ein zeltgroßes weißes T-Shirt mit der Aufschrift SPORTS CLUB LA. Keine Panik , befahl ich mir und spitzte die Ohren, um zu verstehen, was der Mann da schimpfte. Denk nach. Wo warst du gestern Abend, was hast du gemacht? Für den Anfang gar nicht mal so schlecht, wenn man bedenkt, dass es nicht eben zu meinen Angewohnheiten gehörte, mich bis zum Filmriss zu besaufen. Mal sehen. Elisa hat angerufen, Dinner im Cipriani, mit dem Taxi ins Bungalow 8, alle an einem Tisch, getanzt mit … mit einem knusperbraunen Briten. Mist. Das Letzte, was ich noch weiß, ist, dass ich in einem Club mit einem Fremden
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