Die Party Queen von Manhattan - Roman
und trat entwürdigend schnell den Rückzug an. Ich hörte noch, wie Isabelle lachte und Sammy fragte, wer denn seine kleine Freundin da sei. Sie hatte Glück. Wäre ich nicht eine wahre Meisterin der Selbstbeherrschung gewesen, hätte ich mich vermutlich umgedreht und ihr geraten, dem Arzt zu sagen, dass er künftig mit ihren Botoxinjektionen ein bisschen sparsamer umgehen sollte, damit sie diesen verräterisch starren Reh-im-Scheinwerferlicht-Blick wieder loswurde.
Dann ist es also amtlich , dachte ich, während ich unter der brühend heißen Dusche stand. Sammy hat eine Freundin. Falls man so eine Tussi wie dieses Vierzig-plus-Gewächs überhaupt so nennen konnte, vielleicht wäre »reife Begleiterin« angebrachter gewesen. Natürlich war er nicht eifersüchtig gewesen, als er sich im Starbucks über Philip lustig gemacht hatte. Ich kam mir von Sekunde zu Sekunde lächerlicher vor. Wütend kramte ich einen marineblauen Hosenanzug, der noch aus meiner Zeit in der Bank stammte, aus der Versenkung beziehungsweise der hintersten Ecke des Kleiderschranks hervor, föhnte mir halbherzig irgendwie die Haare glatt und schmierte mir
eine Portion Abdeckcreme ins Gesicht. Fertig. Das musste reichen.
Bis ich im Four Seasons ankam, war ich beinahe selbst überzeugt davon, dass mir Sammy gestohlen bleiben konnte. Wenn er eine Freundin haben wollte, die edlere Klamotten, mehr Geld und die dreifache Oberweite von mir hatte, dann war das ganz allein seine Sache. Was sollte ich mit einem Menschen, der nur an Oberflächlichkeiten interessiert war? Ich fing gerade an, im Geiste eine Liste seiner - garantiert - vielen, vielen Fehler zusammenzustellen (die zwar nicht zu erkennen waren, aber doch irgendwo an ihm zu finden sein mussten), als mein Handy klingelte. Es war Elisa. Bestimmt wollte sie mich mal wieder des Längeren und Breiteren und Ausführlicheren über Philip ausquetschen. Sie konnte mir gestohlen bleiben. Ich wollte mich eben beim Oberkellner nach Penelopes Gesellschaft erkundigen, da schrillte es schon wieder los. Und als ich auf Vibrationsalarm schaltete, schickte Elisa einfach eine SMS hinterher: NOTFALL - SOFORT MELDEN.
»Bette, bist du das?« Ich drehte mich um; es war Michael. »Weißt du schon, wo sie sitzen?«, fragte er. Er sah abgearbeitet und irgendwie missmutig aus. Penelope hatte mir erzählt, dass er bis über beide Ohren in Arbeit steckte und seit einer halben Woche eine Nachtschicht nach der anderen schob.
»Nein, sind wir die Ersten?« Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, wann ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, so lange war es schon her. »Wo ist Megu?«
»Im Krankenhaus, sie hat Dienst. Ich meine, Pen hätte gesagt, dass sie einen Nebenraum genommen haben. Sehen wir mal weiter hinten nach.«
»Machen wir.« Ich hakte mich bei ihm unter. Es war ein Gefühl wie Nachhausekommen. »Wir haben schon ewig nichts mehr zusammen unternommen. Hast du hinterher noch was
vor? Sollen wir Pen ins Black Door entführen, auf einen gepflegten Drink oder sechs?«
Er lächelte, auch wenn es ihm sichtlich schwer fiel. »Auf jeden Fall. Wo wir schon mal alle zur selben Zeit am selben Ort sind. Das ist so selten heutzutage, das muss man ausnutzen. Ich bin dabei.«
Der Tisch bot achtzehn bis zwanzig Personen Platz. Ich wollte gerade Penelopes Vater begrüßen, da fing mein Handy an zu vibrieren.
Ich entschuldigte mich und lief schnell nach draußen. Schon wieder Elisa. Mein Gott, was konnte bloß so wichtig sein, dass sie mir wie eine Großwildjägerin nachstellte? Ich wartete, bis das lästige Teil zu brummen aufhörte, und klappte es auf, um es auszuschalten. Aber genau in dieser Sekunde unternahm sie den nächsten Vorstoß, und plötzlich quäkte ihre Stimme in meiner Hand.
»Bette? Bist du das? Bette? Es ist lebenswichtig!«
»Hör mal, du hast wirklich eine ungünstige Zeit erwischt. Ich bin im Four Seasons, eine Einladung zum Essen...«
»Du musst sofort kommen. Kelly dreht total durch.«
»Elisa, lass mich bitte ausreden. Es ist Samstagabend, halb neun, und ich bin im Four Seasons. Ich feiere hier mit meiner besten Freundin und ihrer gesamten Familie, und es ist wirklich ein wichtiger Anlass. Ich bin überzeugt, du schaffst es solo, Kelly wieder zu bändigen.« Innerlich gratulierte ich mir zu meinem entschlossenen Ton. Klare Aussagen machen und Grenzen setzen - wozu hatte meine Mutter mir das schließlich spätestens seit meinem sechsten Lebensjahr
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