Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Leuten, die sie passierten, die Pferde zu erwecken, die in diesem Land anscheinend völlig unbekannt waren. Im Verlauf ihres Marsches durch Rachida sammelte sich hinter ihnen eine neugierige Schar von Kindern an, die ihnen folgten. Immer mehr gesellten sich mit großen Augen und lachend dazu, riefen einander zu und deuteten mit den Fingern.
Schließlich gelangten sie zu einem breiten Hügel, der von einem gepflegten Rasen bedeckt und mit kleinen blauen Blumen gesprenkelt war. Dort verließen Imunt und Penar die Gruppe, und die Schar der Kinder löste sich auf.
Farndar teilte Cadvan mit, dass der Hügel auf Annaren Nirimor, der Nabel, genannt wurde, und das Gebäude auf seiner Kuppe war der Nirhel, die Halle ihres Herrschers. Die Pferde mussten am Fuß des Hügels zurückbleiben, während Maerad und Cadvan ihrem Führer über flache, in den Hang geschnittene Stufen zum Gipfel folgten. Dort befand sich ein großes Haus, gleich gebaut wie die anderen, die sie gesehen hatten, aber höher. Die Türen waren aus Silberholz gefertigt, kunstvoll geschnitzt und sonderbar unverwittert. Sie standen offen und gaben den Blick auf einen breiten, hellen Gang frei. Cadvan und Maerad wurden hinein und nach links in einen Raum geführt, in dem ein niedriger Tisch aus schwarzem Hartholz stand, umgeben von breiten, bunt gefärbten Kissen. Die Abschirmungen wurden von den Fenstern zurückgezogen, dass sie durch die Laibungen auf einen kleinen Hof mit Rasen sehen konnten, wo blühende Bäume ihre schwarzen Zweige in einen Teich hängen ließen. Blütenblätter trieben auf der Wasseroberfläche, und wo unter den Seerosen müßig Karpfen einherglitten, blinkte es golden auf.
Ihnen wurde gesagt, dass sie sich erfrischen könnten, wenn sie wollten, dann wurden sie in einen anderen Raum gebracht, der Wasserbecken, frische Handtücher und saubere Kleider enthielt. Maerad, die nach dem ausgefallenen Mittagessen einen Bärenhunger hatte, war erleichtert, als sie in den ersten Raum zurückkehrten und dort auf dem Tisch Brot und kalten Braten vorfanden. Das mit Fenchel, Meerrettich und einer seltsamen Art Minze verfeinerte Essen schmeckte eigenartig, aber zugleich frisch und köstlich.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte sie Cadvan, während sie aßen. »Ich glaube nicht, dass man uns Böses will, jedenfalls vorläufig nicht.«
»Zumindest ist es kein böser Ort«, gab Cadvan zurück. »Trotzdem fühlt er sich sonderbar an. Er ist von einem mächtigen Zauber durchdrungen.«
Ja, er fühlt sich tatsächlich merkwürdig an, dachte Maerad und blickte durch die Laibung auf den Hof. Es war, als wären sie in der Zeit zurückgereist oder hätten den Strom der Zeit gar gänzlich verlassen. Jedes Empfinden der Dringlichkeit war verpufft. Sie lehnte sich auf die Kissen zurück und war vorerst rundum zufrieden damit, nur zu essen und sich auszuruhen.
Bald darauf kehrte Farndar zurück und brachte sie in einen großen Saal in der Mitte des Hauses. Die von mächtigen, kunstvoll mit gewundenen Formen von Zweigen und Blättern verzierten Balken gestützte Decke ragte hoch empor. Die Wände bestanden aus demselben Silberholz, glatt poliert und nahtlos verfugt, und wurden von farbenprächtigen, zum Abbild einer Waldlandschaft gewobenen Behängen geschmückt. In der Mitte befand sich ein flaches Becken, in dem weiße und gelbe Seerosen blühten. Das Wasser strahlte ein Licht aus, das den Saal mit einem sanften, goldenen Leuchten gleich dem der Sonne zu Beginn des Frühlings erhellte. Am fernen Ende stand auf einem Podium ein einziger Stuhl, schlicht aus poliertem schwarzen Holz geschnitzt, das Maerad zunächst für Stein hielt. Auf dem Stuhl saß eine hochgewachsene Frau. Sie trug weiße Gewänder, und ihr Haar ergoss sich wie ein silbriger Wasserfall über die Schultern bis beinahe zu den Füßen hinab. Ihr Antlitz wirkte jung und unendlich alt zugleich, als wäre das gemalte Bild einer Königin, die in längst vergangenen Zeiten geherrscht hatte, durch einen Zauber zum Leben erweckt worden. Ihr Blick durchdrang Maerad mit einem seltsamen Kribbeln, als tauche sie in einen eiskalten Fluss ein. Die Frau trug weder einen Stirnreif noch Juwelen oder ein Zepter, dennoch wusste Maerad auf Anhieb, dass sie eine Königin von großer Macht verkörperte.
Farndar führte sie vor die Frau, neigte das Haupt und sprach etwas. Sie nickte, dann wandte sie sich Cadvan und Maerad zu.
»Willkommen in der Stadt Rachida«, sagte sie mit einer Stimme, die wie Wasser
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