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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Elidhu: Ihr Antlitz besaß eine ähnliche Wildheit, obwohl sie Maerad freundlich und nachdenklich musterte. Erschrocken wurde Maerad klar, dass Ardinas Augen nicht menschlich waren. Sie glichen jenen der Elidhu. Im Weiß prangte eine goldene Netzhaut mit einer Pupille wie der einer Katze. Abermals hatte sie das Gefühl, in kaltes Wasser getaucht zu werden, und ein sonderbarer Schauder kroch ihr über den Rücken.
    »Ich bin die Tochter von Milana, die dem Obersten Zirkel von Pellinor angehörte«, sagte sie mit trotzigem Stolz in der Stimme. »Wie können wir verwandt sein?« »Durch den seltsamsten aller Zufälle, so man es Zufall nennen will«, erwiderte Ardina leise. »Häufig ist das, was ihr Menschen als Zufall bezeichnet, das Wirken eines tiefgründigeren Musters, das sich dem oberflächlichen Blick entzieht. Ich habe dich in der Vergangenheit in meinen inneren Träumen gesehen, die nicht lügen. Aber bei solchen Träumen ist es oft schwierig zu verstehen, was man sieht: Ist es die Zukunft, die Vergangenheit oder etwas, das nur sein könnte? Ich erkenne in dir mein eigenes Blut. Aber da ist noch mehr …«
    Maerad spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam; eine befremdliche Furcht ergriff Besitz von ihr. Was meinte sie? Maerad war außerstande, dem seltsamen Blick der Königin zu begegnen, senkte stattdessen den Blick und starrte auf ihre Füße.
    Eine Pause entstand, dann erhob sich Ardina, als hätte sie sich anders überlegt, was sie sagen wollte. »Ich ermüde dich mit meinen Fragen«, sagte sie. »So geh denn in Frieden, ruhe dich aus und genieße die Freuden meines Reiches. Wenn du dich erholt hast, werden wir uns wiedersehen und weiter miteinander reden. Dann sollst du meine Gedanken erfahren.«
    Sowohl Cadvan als auch Maerad standen auf und verneigten sich. Ein goldener Schimmer rings um Ardina schien greller und greller zu werden, bis sie gezwungen waren zu blinzeln. Und in jenem Lidschlag verschwand die Königin; zurück blieb der verwaiste Stuhl vor ihnen, und der wunderschöne Raum fühlte sich ob ihrer Abwesenheit unvermittelt trostlos an.
    Wortlos verließen sie die Halle. Farndar erwartete sie an der Tür und brachte sie zu einem Haus unweit des Nirimor. Er erklärte ihnen, dass sie sich darin wie zu Hause fühlen sollten, und ließ sie dort allein.
    Das Haus war um einen Hof in der Mitte herum errichtet und von einem breiten Vorbau umgeben. Die Einrichtung entsprach dem Stil des Nirhel. Die Böden bestanden aus poliertem Holz. Für Wärme sorgten prunkvolle Läufer und kleine Kohlenbecken aus Eisen in jedem Zimmer. Im Hauptraum standen auf einem niedrigen Tisch eine Mahlzeit und Wein für sie bereit. Außerdem gab es eine Rasenfläche, die von einer Mauer umgeben war. Farndar hatte vorgeschlagen, dass die Pferde dort bleiben könnten, denn Ställe hatte man nicht zu bieten. Später liefen die Pferde frei durch die Straßen von Rachida, wo sie von den Kindern mit Süßigkeiten und Karotten gefüttert wurden und für allerlei Aufsehen sorgten.
    Mittlerweile herrschte Zwielicht. Sowohl Cadvan als auch Maerad fühlten sich nach dem Gespräch mit Ardina eigenartig erschöpft, als hätten sie lange beisammen gesessen und wären ausführlich befragt worden, wenngleich die Unterhaltung tatsächlich kaum eine Stunde gedauert hatte.
    »Das ist das Seltsamste von vielen seltsamen Dingen, die mir schon widerfahren sind«, meinte Cadvan, als er Wein für sie beide einschenkte. »Königin Ardina! Legenden erwachen zum Leben und wandeln über die Erde!«
    »Wer ist sie?«, wollte Maerad wissen.
    Zunächst erwiderte Cadvan nichts und wirkte gedankenverloren. Dann kramte er seine Leier aus seinem Bündel hervor und begann beinahe willkürlich einige Akkorde zu zupfen. Nach einer Weile verschmolzen sie zu einer Melodie, und er erhob die Stimme zu einem Lied:
     
    Als Arkan ewige Kälte schuf
    und kahl und schwarz der Wald verdorrt,
    da weinte überm Land der Mond,
    sah alle Schönheit schwinden.
    Doch eine Träne fiel herab,
    und aus ihr trat ein Mädchen, bleich
    wie Mondlicht, das durch Marmor dringt,
    mit Glanz ihn zu entzünden.
    Ein wildes Staunen fasste da
    das Herz des Mondkinds. Weit es lief
    durch alle Täler Lirions,
    um glockenklar zu singen.
    Und auf den Zweigen Blüte brach
    aus Eisenholz und totem Laub,
    und hell des Frühlings Stimme klang,
    den Sommer herzubringen.
     
    »So sang vor langer Zeit der Barde Tulkan in der Sprache seines eigenen Landes«, erklärte Cadvan und legte die Leier beiseite.

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