Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
Vom Netzwerk:
beschämt. »Ich will keine Umstände machen«. Cadvan durchquerte die Kammer, setzte sich aufs Bett und ergriff ihre Hand.
    »Maerad«, sprach er mit ernster Stimme. »Du bist jetzt in einer anderen Welt, in der man findet, dass jeder Mensch den Umstand wert ist, sich um ihn zu kümmern. Ganz gleich, um wen es sich handelt. Du besitzt eine Gabe - eine besondere Gabe; deshalb liegt den Menschen umso mehr an dir. Du musst anfangen, das zu verstehen.« Eine Weile schwieg sie und starrte zu Boden. »Malgorn und Silvia sind ausgesprochen freundliche Menschen«, murmelte sie undeutlich. »Und auch Ihr seid nett zu mir.« »Besonders liebenswürdig war ich nicht«, wiegelte Cadvan schelmisch ab. »Doch, das seid Ihr sehr wohl. Ihr habt mich aus Gilmans Feste befreit. Das hättet Ihr nicht tun müssen. Aber hier weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich weiß überhaupt nichts. Ich gehöre nicht hierher.« Sie spürte, wie ihr ein Kloß in den Hals aufstieg, und schluckte ihn zurück.
    »Hab Geduld. Du bist gerade erst angekommen. Und du solltest wissen, Maerad, dass auch ich nirgends hingehöre. Meine Heimat ist die Musik. Genau wie für dich.« Maerad fand seine verständnisvolle Seite unerträglicher als seine schroffe Ader. Abermals schluckte sie, doch da lief ihr bereits eine Träne über die Nase. Bevor Cadvan sie dem Seelenblick unterzog, hatte sie seit Jahren nicht mehr geweint; nicht, seit ihre Mutter gestorben war, wegen nichts und niemandem. Die Welt, in der sie gelebt hatte, war zu rau für Tränen gewesen. Sie hatte das Gefühl, als wäre ein jahrelang in ihr aufgestauter Kummer drauf und dran, über die Ufer zu treten, und jedes von Cadvans Worten schwächte den Damm zusätzlich. Mit besorgter Miene musterte er ihr Gesicht, doch sie weigerte sich, ihm in die Augen zu sehen und starrte stattdessen mit heißen Wangen auf die Tagesdecke hinab. Mit aller Willenskraft rang sie die Tränen zurück.
    »Ich schätze, ich sollte mich anziehen«, brachte sie schließlich hervor. »Deine Kleider erwarten dich da drüben«, sagte Cadvan und deutete auf einen geschnitzten Schrankkoffer, auf dem das Kleid lag, das sie in der Nacht zuvor getragen hatte. Etwas linkisch erhob er sich. »Ich bringe mal dieses Buch zurück. Wenn du möchtest, komme ich wieder, nachdem du angezogen bist, und führe dich in der Schule herum. Wenn du hungrig bist, gehen wir in die Küche und suchen dort etwas für einen spätnachmittäglichen Imbiss. Wäre dir das recht?«
    Maerad nickte, woraufhin er den Raum verließ. Sie stieg aus dem Bett und ergriff ihre Leier. Sobald sie das Instrument in den Händen hielt, fühlte sie sich besser. Es gehörte ihr; das Einzige, was je wirklich ihr gehört hatte. Was hatte Cadvan gesagt? Meine Heimat ist die Musik. Sie strich über die Saiten, schlug ein paar Akkorde an und wollte gerade zu spielen anfangen, als ein Unbehagen, das sie in der Magengegend gespürt hatte, plötzlich in qualvolle Krämpfe ausartete. Es war, als streckten sich in ihr Klauen aus und zerrten an ihren Eingeweiden. Nur mit letzter Willenskraft gelang es ihr, die Leier wohlbehalten beiseite zu legen, dann sank sie keuchend auf den Boden. Sie spürte, wie etwas ihr Bein hinabrann. Die Krämpfe ließen ein wenig nach, und sie blickte hinab: Blut, dicke rote Tropfen. Es durchtränke ihr Leinennachthemd und tropfte auf den polierten Holzboden. Was war los mit ihr? Vornüber gekrümmt kroch sie zum Bett zurück, vermochte jedoch nicht, sich hinaufzuhieven. Sie bündelte alle Gedanken darauf, zu atmen, wie sie es immer tat, wenn sie geschlagen worden war, um ihren Verstand von den Schmerzen abzulenken, doch sie wollten nicht weichen. Maerad schluchzte vor Angst.
    Cadvan klopfte dreimal an die Tür, ehe sie ihn hörte, aber beim dritten Klopfen war er bereits eingetreten und rief ihren Namen. Als er sie auf dem Boden sah, rannte er los, griff ihr unter die Arme und hob sie aufs Bett. »Was ist denn los?«, fragte er. »Ich - ich weiß es nicht«, presste sie zwischen zwei Krämpfen hervor. »Es tut so weh. Ich blute, und es tut weh.« Abermals ließ sie ein Anflug von Schmerzen keuchen. »Du blutest?«, hakte Cadvan scharf nach. »Wo?«
    »Da ist Blut zwischen meinen Beinen. Dabei kann ich mich nicht erinnern, verletzt worden zu sein …« Wieder rang sie nach Luft und drückte seine Hand so heftig, dass seine Finger sich weiß verfärbten. Cadvan musterte ihr blasses, schwitzendes Antlitz und fühlte ihre Stirn.
    »Sag, Maerad«,

Weitere Kostenlose Bücher