Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
forderte er sie auf, »ist dir das schon öfter widerfahren?« Sie schüttelte den Kopf. Er blickte an ihr hinab, und Maerad spürte trotz ihres Ungemachs seine Verlegenheit. Sie hätte nicht gedacht, dass er in der Lage wäre zu erröten.
»Ich glaube, das ist die Menarche«, meinte er nach einer langen Pause. »Weißt du, was das ist?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich hole besser Silvia«, sagte er. Panisch ergriff Maerad ihn am Arm, und Cadvan verharrte unschlüssig, als sie sich neuerlich krümmte. Dabei ging ihm durch den Kopf, dass er sich viel lieber eines Dutzends Werwesen angenommen hätte als eines Mädchens, das seine erste Regelblutung erfuhr.
»Werde ich sterben?«, flüsterte Maerad, in deren Stimme blankes Entsetzen mitschwang. »Ich bin verflucht, nicht wahr?«
Cadvan holte tief Luft. »Nein, du wirst weder sterben, noch bist du verflucht. Das ist etwas, das Frauen widerfährt, allen Frauen. Bei dir setzt es lediglich ein bisschen spät ein, das ist alles. Das bedeutet keineswegs, dass du krank bist.«
»Warum tut es dann so weh?«
»Das weiß ich nicht, Maerad. Manchmal ist das so. Ich hole besser Silvia.« »Verlasst mich nicht!«
Seufzend sank Cadvan zurück aufs Bett. »Na gut, ich warte damit eine Weile«, gab er sich geschlagen. Behutsam löste er ihre Hand von der seinen, da er spüren konnte, dass die Knochen aneinanderrieben. Sogleich umklammerte Maerad stattdessen seinen Unterarm. Er kramte all seine Geduld zusammen und harrte aus. Es dauerte nicht lange, bis Maerad sich aufrichtete. »Ich glaube, es lässt nach«, flüsterte sie stockend. Sie erkannte, dass sie Cadvans Arm so krampfhaft festhielt, dass sich die Nägel in sein Fleisch gegraben hatten. Sie ließ los. Cadvan wirkte etwas blass.
»Es wird dir bald wieder besser gehen«, beruhigte er sie. Eine kurze Stille folgte, dann stand er auf. »Jetzt sollte ich aber wirklich Silvia rufen. Sie wird wissen, was zu tun ist.« Maerad nickte, und Cadvan flüchtete aus dem Zimmer.
Bald traf Silvia mit vor Belustigung funkelnden Augen ein. Sie hatte eine Flasche mit einem Heiltrank und ein paar Kleider dabei. Zuerst flößte sie Maerad eine kleine Menge des bitter, aber keineswegs unangenehm schmeckenden Tranks ein, dann half sie ihr beim Anziehen. Ihre Zuversicht spendende, praktische Art wirkte wie Balsam auf Maerads Sorgen. Als sie angekleidet war, ging es ihr fast schon wieder gut. Silvia setzte sich zu ihr aufs Bett und erklärte ihr die Blutungen der Frauen. Mit hochrotem Gesicht nickte Maerad.
»Ich dachte, das widerfährt nur Frauen, die verflucht sind«, gestand sie verlegen. »Alle haben es als den Fluch bezeichnet. Ich habe immer gebetet, davon verschont zu bleiben.«
Hätte Silvia auch nur ansatzweise gelächelt, wäre Maerad innerlich dahingewelkt, doch sie antwortete ihr mit ernster Stimme. »Wenn man bedenkt, wie dünn du bist, ist es kein Wunder, dass du noch nie deine Blutung hattest«, erklärte sie. »Hier betrachten die Frauen sie als Segen, nicht als Fluch. Manche nennen sie das Erblühen.« Schweigend verarbeitete Maerad diese Worte. »Das bedeutet, wenn du möchtest, kannst du von nun an Kinder bekommen. Du bist jetzt zu einer vollwertigen Frau geworden«, fuhr Silvia fort. »Ich finde es ungeheuerlich, dass man ein Mädchen derart im Ungewissen über den eigenen Körper gelassen hat. Aber andererseits hast du ja leider keine Mutter mehr, die dich darüber hätte aufklären können.« Damit küsste sie Maerad auf die Wange, dann konnte sie ein Kichern nicht länger zurückhalten. Maerad musterte sie argwöhnisch. »Ich habe Cadvan noch nie so bleich gesehen. Er kam in die Küche gerannt, als wäre eine Plage der Menschheit hinter ihm her. Ich dachte schon, ein Feuer wäre ausgebrochen!«
Da begann auch Maerad zu lachen. »Ich dachte, ich müsste sterben! Ich glaube, ich habe ihm beinahe die Hand gebrochen …«
»Es war nicht einfach herauszufinden, was denn eigentlich los war«, schilderte Silvia und wischte sich über die Augen. »Er sprach derart um den heißen Brei herum, dass ich erst vermutete, es hätte etwas mit ihm zu tun. In den letzten Jahren hatte er nicht viel Umgang mit Frauen.« Sie ergriff die Flasche und stand auf. »Jedenfalls musst du eindeutig etwas essen. Komm, wir suchen etwas für dich.«
In dem von Tageslicht erhellten Gang erhielt Maerad zum ersten Mal Gelegenheit, sich richtig umzusehen. Die Sandsteinwände wiesen kein Zierwerk auf, abgesehen von kunstfertigen Schnitzereien um
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