Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Spiel hatte.«
»Ich fürchte, du hast recht«, meinte Cadvan. »Diese Untaten sind von einer einzigartigen Bosheit geprägt. Aber jetzt ist nicht die Zeit, um über solche Dinge zu reden.«
»Vielleicht seid Ihr meiner Mutter begegnet«, meldete Maerad sich mutig zu Wort. »Ihr Name war Milana.«
»Milana?« Saliman lächelte. »Ja, ich erinnere mich an Milana. Wenn ich mich recht entsinne, war sie die oberste Bardin des Zirkels. Eine wunderbare Musikerin. Hat sie auch überlebt?«
»Eine Zeit lang«, antwortete Maerad und verstummte. Sie hatte ein klares Bild ihrer Mutter vor Augen: Milana vor der Plünderung Pellinors, groß, stolz und freundlich, lächelnd vor einer großen Menschenmenge mit der Leier in der Hand, mit einem weißen, gleich einem Stern schimmernden Stein auf der Stirn. Eine plötzliche Trauer überkam Maerad, und vorübergehend vergaß sie, sich zu verstellen und so zu tun, als sei sie jemand anders: Die Welt war zu grausam für Spiele. Das Bild verschwand so rasch, wie es aufgetaucht war. Sie blinzelte und nahm Saliman wieder wahr. »Ich sehe schon, hier gibt es Geschichten zu erzählen«, meinte Saliman. »Aber wohl Geschichten des Kummers, und ich will diesen Abend nicht trüben, indem ich weiter nachfrage.«
»Nein, das wäre nicht gut«, pflichtete Cadvan ihm bei. »Und jetzt müssen wir uns Plätze suchen. Setzt du dich zu uns?«
Salimans Miene hellte sich auf. »Mit Vergnügen!«, stimmte er zu. »Ich kenne hier nur wenige.«
Indessen sah Maerad sich voll Staunen in der Halle um und versuchte, ihre ersten, verworrenen Eindrücke von Farben, Bewegungen und Klängen zu ordnen. Der Saal war sehr hoch. Lang gezogene Bogenfenster mit kleinen, diamantförmigen Scheiben wie jenen in Malgorns und Silvias Haus, nur größer, befanden sich an den schlichten weißen Wänden. Durch die Mitte verliefen zwei Reihen hoher, schwarzer, wie Bäume gestalteter Säulen, deren ausgestreckten Aste das gewölbte Dach stützten. In das schwarze, polierte Steinwerk in den Ecken des Raums und um die Fenster waren kunstfertig ineinander verschlungene Muster von Früchten und Blumen gemeißelt: Apfel, Birnen, Lilien, Pflaumen, Rosen und Blüten, die im flackernden Schein der Wachsstöcke schimmerten.
Längs durch die Halle waren Reihen langer Tische aufgestellt, jeder mit einem tiefroten, feinen Tuch, erlesenen, blau glasierten Schüsseln und Tellern sowie Gläsern und Silberbesteck gedeckt. Zudem standen auf jedem Tisch riesige, prunkvoll gearbeitete Kerzenhalter aus Silber mit hohen Kerzen darin. Weitere Leuchter hingen von der Decke und tauchten den Saal in sanftes Licht. Jeden Tisch zierten Frühlingsblumen in sonderbar geblasenen blauen Glasschalen. Daneben gab es Schüsseln voll Obst, Nüssen und frischem Brot verschiedener Formen und Farben, einige Sorten mit Kräutern, einige weiß, einige dunkel; duftenden Käse und Essiggurken; aufgeschnittenes Fleisch, teils frisch gebraten, teils geräuchert, teils mit Kräutern und Gewürzen gebeizt; Küchlein, Torten, Eingemachtes und Gewürze. Maerad hatte noch nie so viel Essen gesehen.
Am fernen Ende brannte ein Feuer in einem riesigen Kamin, davor war ein Podium errichtet, auf dem drei Musiker saßen, einer mit einer Leier, zwei andere mit Instrumenten, die Maerad nicht kannte, einer langen Holzflöte und einer Art Hackbrett. Noch nie hatte sie solche Musik gehört, ein verschlungenes Zusammenspiel verschiedenster Harmonien und Kontrapunkte. Unwillkürlich blieb sie stehen, von der Musik noch mehr verzaubert als von den anderen auf sie einstürzenden Sinneseindrücken, bis Cadvan sie am Ellbogen zupfte und sie aus ihrem Bann riss.
»Wir sitzen da drüben«, sagte er und nickte in Richtung eines Tisches. Mittlerweile hatten die meisten Leute Platz genommen. Nur ein paar Nachzügler befanden sich immer noch an der Tür. Zu Maerads Freude saßen sie nicht weit von den Musikern entfernt. Maerad und Cadvan lehnten ihre eigenen Instrumente an die Wand. Malgorn und Silvia entdeckte sie an dem Tisch in der Mitte, unterhalb des Podiums. Silvia lächelte und winkte.
»Da sie zum Zirkel der Schule gehören, sitzen sie am Ehrentisch«, erklärte Cadvan und kostete von dem Wein. »Hm, dieser Wein ist wirklich sehr gut. Ich glaube, Malgorn hat ihn ausgesucht, also war nichts anderes zu erwarten.« Er schenkte Maerad und Saliman ein, dann sich selbst. Während er noch damit beschäftigt war, endete die Musik, und die Spielleute verließen das Podium, um ebenfalls Platz
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