Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
haben.«
Sprachlos wickelte Maerad das Päckchen aus. Darin befand sich ein weißer Stein wie der, den Silvia an der Hand trug. Er hing an einer zierlichen Goldkette. »Das ist ein Stein, den wir Sternenwasser nennen, Dhillian. Er ist dem Licht teuer und besitzt bestimmte Tugenden«, erklärte Silvia. »Vielleicht vermag er, dir an einem dunklen Ort Heil zu verschaffen.« Sie hängte ihn Maerad um den Hals. Maerad betrachtete sich im Spiegel. »Und an einem hellen Ort ziert er dich natürlich.« Sie küsste Maerad auf die Wange.
Maerad drehte sich um und umarmte Silvia fast verzweifelt, als wäre sie noch ein kleines Kind. Sie hielt sie fest, atmete ihren Duft ein, der eine wohlriechende Mischung aus Milch, Mandeln und Lavendel war. Schließlich küsste Silvia sie auf den Kopf und meinte: »Wir sollten jetzt hinuntergehen.«
»Danke, Silvia«, murmelte Maerad in ihr Kleid. »Vielen, vielen Dank, für alles; für alles, was Ihr mir gegeben habt. Ich wünschte, ich könnte Euch auch etwas schenken.« »Das hast du bereits«, entgegnete Silvia. »Lass uns jetzt gehen.«
Malgorn und Cadvan warteten im Musikzimmer, und zusammen begaben sie sich zur Großen Halle zum Fest. Silvia und Malgorn trennten sich am Eingang von ihnen, weil Malgorn in Orons Abwesenheit den Obersten Barden verkörperte. Maerad sah sich rasch nach Dernhil um, stellte jedoch teils erleichtert, teils enttäuscht fest, dass er nicht anwesend zu sein schien. Der Saal war wie beim letzten Anlass geschmückt, dennoch vermeinte Maerad eine andere Stimmung als damals wahrzunehmen. Zunächst dachte sie, es läge vielleicht an ihrer eigenen getrübten Laune, aber als sie es Cadvan gegenüber erwähnte, pflichtete er ihr bei.
»Ja, über den Barden liegt ein Schatten«, bestätigte er. »Nach einer Woche voll Unterredungen sind lediglich unsere unterschiedlichen Auffassungen zum Vorschein gekommen. Einig sind wir uns nur darin, dass etwas nicht stimmt. Es gibt zu viele Beweise, um das zu verleugnen oder als Teil eines natürlichen Kreislaufs abzutun, obwohl es noch immer einige gibt, die genau das versuchen. Aber selbst diejenigen, die guten Willens sind, können sich nicht darauf einigen, was zu tun ist, oder auch nur erklären, worin das Übel eigentlich besteht.«
»Ich war noch nie bei einem Konklave, der sich als so unschlüssig erwiesen hat«, bekräftigte Saliman, der wieder bei ihnen saß. »Ich denke, das ist an sich schon ein Anzeichen für das Übel. Und ich dachte, ich käme in den Norden, um Hilfe zu finden!« Er schüttelte den Kopf. »Weißt du, Cadvan, ich glaube, im Süden stehen wir den Wegen und den Bedürfnissen des Lichtes näher. Mein Volk ist treu und aufrecht: Wir zerlegen die Sprache nicht in ihre Buchstaben und vergessen darüber ihre Gesinnung, wie es manche hier tun. Einige im Norden haben vergessen, was das Bardentum bedeutet. Natürlich nicht in Inneil«, fügte er hinzu. »Oron ist eine große Bardin, und in dieser Schule hier ist das Licht stark und lebendig. Aber was diejenigen aus Ettinor, Desor und einige andere meinen, missfällt mir. Sie kommen voll Klagen und gehen voll Zorn.« Er blickte über die Schulter zu Heigar und Usted, die an einem anderen Tisch saßen und miteinander tuschelten.
»Du hast recht, Saliman«, pflichtete Cadvan ihm bei. »Das zeigt uns ebenso sehr wie alles andere auf, dass die Welt aus den Fugen geraten ist.«
»Warum begleitest du mich nicht in den Süden, Cadvan?«, fragte Saliman. »Wir brauchen deinesgleichen. In Den Raven scharen sich Streitkräfte, und mein Volk rüstet sich gegen die Schwarzen Hexer. Wir sind wenigstens bereit zu kämpfen.« »Ich kann nicht«, antwortete Cadvan. »Zumindest noch nicht. Ich habe andere Pflichten, die mich nach Westen führen.«
»Und nicht alle davon sind so belastend«, meinte Saliman lächelnd mit einem Blick auf Maerad. »Wie kommst du mit dem Unterricht voran?«, erkundigte er sich bei ihr. Das Gespräch wandte sich allgemeineren Belangen zu, und bald unterhielt Saliman Maerad mit Geschichten über Turbansk, die große Stadt im Süden, die seine Heimat darstellte. »Die Sonne wärmt dort alles. Diesen frostigen Nieselregen hier kennen wir nicht«, schilderte er. »Ich wünschte, du könntest den Ort sehen! Die Türme gleichen Lilien aus Stein und beherbergen von kühlenden Weinranken gesäumte Höfe, auf denen man sitzen, den Springbrunnen lauschen und Trauben naschen kann. Und dann die Straßen, all die bunte Seide, die Verkaufsbuden, der
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