Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Monat verstrichen war.
»Das bedeutet, dass wir alle wie Hühnchen auf dem Hackklotz sind, die darauf warten, dass die Axt auf uns herabsaust. Es kann heute, nächste Woche oder erst nächsten Monat geschehen; aber wir alle wissen, dass es geschehen wird. Und du darfst nicht vergessen, dass Imank nicht nur ein Hauptmann von Soldaten ist, sondern auch ein mächtiger Hexer. Abgesehen vom Namenlosen selbst ist dieser Untote der mächtigste Hexer in Edil-Amarandh. Es ist nicht nur Imanks Armee, die an unseremWillen zehrt, den Mut aus unseren Herzen stiehlt, unseren Armen die Kraft raubt und uns böse Träume beschert, um uns die Nachtruhe zu vergällen.«
Neugierig schaute Zelika auf. »Also verhext Imank die ganze Stadt?«
»So ähnlich.«
»Können wir uns nicht durch Magie zur Wehr setzen?«
»Das tun wir doch«, antwortete Hem ungeduldig. Er blickte mit einem neuen Verständnis in Salimans Gesicht, das seit mittlerweile Wochen abgehärmt vor Anspannung wirkte. »Nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Saliman. »Wir kämpfen an allen Fronten. Und wir verlieren an allen Fronten.«
»Dann sollten wir etwas anderes versuchen«, meinte Zelika. Obwohl ihre Wangen noch feucht von Tränen schimmerten, funkelte ein kampflustiges Licht in ihren Augen. »Nicht bloß herumsitzen und uns aufregen, während Imank, der Untote, tut, was er will. Was haben wir schon zu verlieren?« Sie lächelte. Es war ihr Angst einflößendes Lächeln, erbarmungslos, furchtlos und mehr als ein wenig wahnsinnig. Hem fiel auf, dass Saliman sie neugierig anstarrte. Diese Seite Zelikas kannte er noch nicht.
»Ja, Zelika, du hast Recht«, erwiderte er. »Wir müssen Imank das Heft aus der Hand reißen. Heute sind Neuigkeiten aus Car Amdridh eingetroffen. Dort ist man bereit, und unser Volk ist inzwischen eingetroffen. Wir brauchen uns also nicht mehr zu opfern, um ihnen mehr Zeit zu verschaffen. Und deshalb …«
Zelikas Augen funkelten. »Und deshalb?«
»Zuerst müssen wir den Meeresweg zurückerobern.« Saliman lehnte sich zurück. »Unser Volk muss in der Lage sein, aus der Stadt zu fliehen, wenn sie untergeht. Und das wird sie, eher früher als später, denke ich. Wir müssen die feindliche Flotte zerstören. Aber wenn Imank uns kommen sieht, wird er gewappnet sein. Und deshalb bereiten wir einen Angriff auf die Schwarze Armee vor, um seine Aufmerksamkeit abzulenken.« »Außerhalb der Tore?«, fragte Hem mit geweiteten Augen. »Das ist Wahnsinn! Jeder wird hingemetzelt werden.«
»Ja«, bestätigte Saliman knapp. »Das ist höchstwahrscheinlich. Deshalb werden diejenigen, die in dieser Schlacht kämpfen, es aus freien Stücken tun. Wir sind keine Schwarzen Hexer wie Imank und schicken unsereSoldaten nicht gegen ihren Willen in den sicheren Tod.«
Eine grässliche Angst breitete sich in Hems Brust aus.
»Aber du doch nicht, oder?«, fragte er mit brechender Stimme. »Du wirst doch nicht… ? «
»Nein, Hem.« Saliman lächelte. »Ich werde anderswo gebraucht. Du vergisst, dass ich Hauptmann unserer Streitkräfte im Hafen bin. Ich werde mit der Flotte von Turbansk segeln.«
Das schien wenig besser. Hem biss sich auf die Lippe, um sich eine Äußerung zu verkneifen.
»Ich werde gehen«, ergriff Zelika das Wort. »Ich melde mich freiwillig »Das wirst du nicht.« Mit ausdrucksloser Miene musterte Saliman sie. »Du wirst bei Hem bleiben. Für dich habe ich andere Pläne.«
»Ich werde gehen. Man wird mich nicht abweisen …« Saliman erhob sich. »Zelika, ich werde nicht mit dir streiten.
Wenn ich dich in einen Käfig sperren muss, um dich in der Stadt zu behalten, werde ich es tun.«
Zelika baute sich vor ihm auf und streckte sich mit knurrend zurückgezogenen Lippen und bebenden Nasenflügeln zu voller Größe. Trotz ihrer zierlichen Gestalt ließ ihre blanke Wut Hem verzagen. Irc zog sich unauffällig zur gegenüberliegenden Wand zurück; er kannte Zelikas Gemüt bereits. »Wie könnt Ihr es wagen?«, raunte sie mit einer stillen Inbrunst, die beängstigender wirkte, als es Gebrüll gewesen wäre. »Wie könnt Ihr es wagen, so mit mir zu reden? Ich werde tun, was ich will. Ihr könnt mich nicht aufhalten.«
Der beobachtende Teil von Hem sah Zelika mit Bewunderung zu, während er vorsichtig zurückwich. Sie reichte Saliman kaum bis an die Brust, dennoch sprach sie mit der Erhabenheit und dem Hochmut einer Königin mit ihm.
»Und ob ich dich aufhalten kann, Zelika«, gab Saliman milde zurück. »Ich könnte dich mit einer Hand
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