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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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endlich sein verheertes Gesicht. Schorfe überzogen es; aus dem offenen Mund troff Speichel, und die Adern an seinem Hals glichen dicken, knorrigen Strängen. Am schlimmsten jedoch waren seine Augen, die aus dem Kopf vorquollen und sich vor Grauen verdrehten. Die Netzhäute wirkten fast völlig silbrig vor einem milchigen Schleier, als hätte eine Spinne ein dichtes Netz über die Augen gewebt; welche Farbe sie auch gehabt haben mochten, nun schimmerten sie in fahlem Gelb. Die Pupillen waren kaum zu erkennen.
    Saliman sprang zurück, als hätte er sich verbrannt, und stieß einen leisen Fluch aus. »Raus hier, Hem!«, rief er und wirbelte jäh herum. »Verschwinde von hier!«
    »Nein«, widersprach Hem.
    »Das ist die weiße Krankheit. Beim Licht, jetzt begreife ich. Hem, du bist Heiler, du verstehst etwas von Seuchen: Die weiße Krankheit ist sehr ansteckend. Du musst sofort weg hier.«
    »Nein, ich lasse dich nicht allein«, beharrte Hem. »Was machen wir mit ihm?« Der Mann hatte sich von ihnen abgewandt und schluchzte in seine Hände. Hemm starrte ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu an.
    »Er liegt in den letzten Zügen«, meinte Saliman. »Du hast ja seine Augen gesehen: Sie sind fast weiß. Bald wird er völlig blind sein. Offen gesagt überrascht mich, dass er uns überhaupt sehen konnte. Er hat den Verstand verloren - er sprang mich mit der Kraft eines Löwen an, ich konnte mich nur mit Müh und Not seiner erwehren. Er hat versucht, mich zu töten. Ohne Magie wäre ich verloren gewesen. Und ich vermute, er hat bereits vergessen, warum er es getan hat. Wer immer er ist, wir werden es nie erfahren.«
    »Können wir ihn heilen?« Hem sah Saliman an; der dunkelhäutige Barde senkte den Blick und schwieg lange Zeit. Hem wartete und spürte, wie eine schreckliche Ahnung in ihm heranreifte.
    »Ich will ehrlich sein«, sagte Saliman schließlich. »Wären wir in den Heilhäusern von Turbansk, würde ich diesem Mann selbst mit all den Mitteln dort und bei bester Pflege nur sehr geringe Aussichten einräumen, zu überleben. Und selbst dort würde es all meiner Kraft bedürfen, diese Krankheit zurückzudrängen. Hier haben wir weder Arzneien noch sonstige Einrichtungen, und ich bin bereits sehr erschöpft. Selbst wenn ich die Krankheit aus seinem Körper vertreiben könnte, was ich bezweifle, glaube ich nicht, dass er überleben würde.«
    »Wir können ihn doch nicht so zurücklassen!« Mittlerweile betrachtete Hem den Mann mit den Augen eines Heilers. Als er das Gesicht zum ersten Mal sah, hatte er ihn für einen Greis gehalten, nun jedoch erkannte er mit Entsetzen, dass er wahrscheinlich wesentlich jünger war. Sein Körper wirkte skelettartig, als hätte er lange Zeit gehungert, und überall waren Wundstellen. Er hatte eindeutig hohes Fieber, und seine Wangen waren gerötet, trotzdem zitterte er vor Kälte, während er unablässig wimmerte und stöhnte. Hem fiel auf, dass er obendrein schwere Verbrennungen an den Beinen und Händen hatte. Eingedenk der Geschichten, die Hem über den von der weißen Krankheit verursachten Wahnsinn gehört hatte, hielt er es für wahrscheinlich, dass der Mann das Haus angezündet hatte, ob es sein eigenes gewesen war oder nicht.
    »Nein, wir können ihn nicht so leiden lassen.« In Salimans Stimme schwang ein Tonfall mit, der Hem jäh zu ihm schauen ließ. »Hem, bitte geh.«
    »Nein«, blieb Hem stur. »Was hast du vor?«
    »Ich werde ihm die einzige Gnade gewähren, die ihm auf dieser Welt noch bleibt«, erwiderte Saliman. »Ich wünschte, ich wüsste seinen Namen. Tja, wenn du nicht gehen willst, kann ich dich nicht zwingen.«
    Kurz neigte Saliman das Haupt, dann beugte er sich vor, hielt die Handflächen vor die Augen des Mannes und atmete tief ein. Einen Lidschlag lang durchflutete blendend weißes Licht den Kuhstall, dann wurde es stockfinster. Als Saliman sein Makilon nicht wieder entfachte, schuf Hem selbst eines. Auf der gegenüberliegenden Seite des Stalls zeichneten sich die Umrisse zweier Gestalten im silbrigen Licht ab; eine davon lag reglos auf dem Boden, die andere stand stumm, mit geschlossenen Augen, an die Wand gelehnt da.
    »Saliman?« Hems Stimme erklang schrill vor Anspannung. »Saliman? Ist alles in Ordnung?«
    Der dunkelhäutige Barde seufzte schwer. Dann straffte er die Schultern und hob den Arm. Ein silbriges Strahlen begann um seine Gestalt zu schimmern. »Möge das Licht die Seele dieses Mannes beschützen«, sagte er. »Und möge er jenseits des

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