Die Pelzhändlerin (1. Teil)
auf den Arm. «Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich nach der Hochzeit einmal in meinem neuen Heim in der Schäfergasse besuchen wolltet. Und vielleicht gibt es ja dort recht bald ein Kinderzimmer herzurichten.»
«Das würde mich freuen», erwiderte Sibylla steif, lächelte noch einmal mit viel Anstrengung, dann eilte sie mit einem «Ich muss nach meinem Mann sehen» davon.
Beinahe floh sie aus den Räumen. Ohne auf Bekannte zu achten, eilte sie durch die Säle. Tränen ließen ihren Blick verschwimmen. Sie sah die festliche Tafel nicht, in deren Mitte ein gebratener Schwan prangte, spürte nicht die Hände, die sie aufhalten wollten. Wie von allen Teufeln gehetzt, verließ sie das Haus, vergass sogar ihren Umhang und flüchtete, nur im Kleid, auf die Gasse, in der noch immer ausgelassene Stimmung und festliches Treiben herrschten.
Sibylla drängelte sich durch die Menschen, hörte auch hier nicht die Scherzworte der anderen, spürte ihre Stöße nicht. Sie wollte nur weg, heim in die Stille ihrer einsamen Kammer in der Krämergasse. Doch es gab kaum ein Durchkommen. Sibylla wurde von einer Schar umringt, die mit Trommeln ein Fastnachtslied spielte und um sie herum tanzte.
«Kommt, schöne Frau, feiert mit. Die Nacht ist noch jung», rief einer, doch Sibylla stieß ihn so heftig zur Seite, dass der Kostümierte zurücktaumelte. Endlich hatte sie eine stille Seitengasse, die ruhig und verlassen lag, erreicht. Sie lehnte sich an eine Hauswand und rang erschöpft nach Atem. Für einen Moment schloss sie die Augen. Doch plötzlich spürte sie die Nähe eines anderen Menschen. Sie öffnete die Augen – und wich schreiend zurück. Vor ihr stand eine mannshohe Krähe, die mit ihrem Schnabel heftig nach Sibyllas Gesicht hackte.
Sie erstarrte. Die Krähe kam näher und näher. Schon berührte der Schnabel beinahe ihr Gesicht. Da ertönte ein Lachen, das an Häme nicht zu übertreffen war.
«Jetzt habt Ihr Angst, nicht wahr, Kürschnerin? Jetzt fühlt Ihr Euch hilflos und ohnmächtig?»
«Was wollt Ihr von mir? Wer seid Ihr?», fragte Sibylla mit vor Furcht bebender Stimme. Sie hatte erkannt, dass das Krähengewand nur eine makabre Verkleidung war, unter der sich ein groß gewachsener Mann verbarg.
«Gekommen bin ich, Euren Hochmut zu strafen. Zeigen werde ich Euch, wie ein Weib sich zu verhalten hat. Eine Lehre werde ich Euch erteilen. Eine Lehre, die Ihr nicht so schnell vergessen werdet.»
Mit diesen Worten griff er nach Sibyllas Kleid und zerriss es. Derbe Hände packten ihre Brüste und quetschten sie so, dass Sibylla vor Schmerz kaum atmen konnte. Sie ahnte, dass der Mann sie nicht zufällig als Opfer ausgewählt hatte. Seine Stimme kam ihr bekannt vor, sie konnte sie aber nicht zuordnen.
Ihre Hand schnellte vor, um dem Fremden die Maske vom Gesicht zu reißen, doch der Kostümierte war schneller und verdrehte Sibylla das Handgelenk so sehr, dass ihr die Tränen in die Augen schossen und sie meinte, die Knochen brechen zu hören. Aber sie gab nicht kampflos auf. Mit der anderen Hand schlug sie nach dem Mann, ihre Füße traten nach ihm, versuchten, die verletzlichste Stelle zu treffen. Doch der Mann lachte nur roh, verdrehte ihr auch die andere Hand und stand mit weit gespreizten Beinen da, sodass Sibyllas Tritte ins Leere trafen.
«Du kannst kratzen und treten, so viel du willst. Es wird dir nichts helfen. Du hast meine Ehre beschmutzt, und jetzt hole ich mir die deine. Ehrlos wirst du sein, wenn ich mit dir fertig bin. Ehrlos wie eine Wäscherin.»
Wieder zerrte er an ihrem Kleid, zerriss auch das Mieder, sodass Sibylla mit bloßen Brüsten stand. Tränen der Scham, der Wut und der Ohnmacht flossen über ihre Wangen. Doch der Kostümierte kannte kein Erbarmen.
«Heul nur, ja, heul ruhig. Deine Tränen sind Balsam für meine Seele», höhnte er und riss ihr Kleid noch weiter entzwei. «Rache will ich. Rache für mich und für deinen Mann.»
«Hat er Euch geschickt?», flüsterte Sibylla mit kraftloser, rauer Stimme.
«Seit Jahren warte ich schon darauf, Euch zu strafen für das, was Ihr mir einst angetan habt. Euer Mann hat mir nur die richtige Gelegenheit genannt. Und die werde ich nutzen.»
Mit einem Ruck zerriss er den Rest des Kleides. Ein Wimmern kam aus ihrer Kehle, dem des Kätzchens gleich, das sie einst vor den Krähen gerettet hatte. Doch hier war niemand, der ihr helfen konnte. Die Gasse lag verlassen und dunkel. Von weitem nur war der Fastnachtslärm zu hören.
Das Knie des Fremden
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