Die Pensionslüge: Warum der Staat seine Zusagen für Beamte nicht einhalten kann und warum uns das alle angeht (German Edition)
den vergangenen zwei Jahrzehnten gekostet hat: Gut eine Billion Euro! Oder anders gesagt: In den nächsten Jahrzehnten müssen wir eine Summe, die der Hälfte der bestehenden deutschen Staatsschulden entspricht, alleine für die Versorgung von Ruhestandsbeamten ausgeben. Ein solcher enormer Kraftakt wird zum Frieden in einer Gesellschaft nicht beitragen, deren Zusammenhalt ohnehin erodiert, weil die Kluft zwischen Arm und Reich – auch und gerade zwischen den Generationen – zusehends größerwird. Eine »Sandwich«-Generation muss für die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit aufkommen, aus der es kein Entrinnen gibt.
Der Druck auf die öffentlichen Kassen wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Und zwar zuerst dort, wo die Lage schon heute mehr als angespannt ist: n den Bundesländern. Dort wird die Erosion des Berufsbeamtentums weiter voranschreiten. Noch schreckt die Politik davor zurück, ihre neu gewonnenen Freiheiten bei der Beamtenbesoldung auch auf die Ruhestandsbeamten auszudehnen. Verwundert konstatiert deshalb die Speyerer Verwaltungsexpertin Gisela Färber: »Verwundert muss man deshalb feststellen, dass die Länder von ihrer neuen Kompetenz nur bei Besoldungsanpassungen, abernoch nicht im Versorgungsrecht Gebrauch gemacht haben.« Der Staat schont seine Ruhebeamten lieber auf Kosten von jungen Beamten, Angestellten und Steuerzahlern. Es fehlt am politischen Mut, eine Auseinandersetzung zu führen, die drängender denn je geführt werden muss.
Andere Länder wie Österreich und die Schweiz sind hier sehr viel weiter. Auch was die Einbindung der Öffentlichkeit in grundlegende Fragestellungen angeht. Bei uns wird stattdessen weiterhin zwischen den Regierungsparteien und den betroffenen Interessenverbänden hinter verschlossenen Türen verhandelt, wie zurzeit gerade in Nordrhein-Westfalen über eine neue Dienstrechtsreform für Beamte. Wo aber abseits der Öffentlichkeit verhandelt wird und es an der notwendigen Transparenz fehlt, kommt es meist zu faulen Kompromissen – auf Kosten der Öffentlichkeit und der Steuerzahler.
In immer mehr E U-Staaten – so in Schweden, Großbritannien und den Niederlanden – wird das Lebenszeitprinzip zusehends aufgebrochen. Der Grundsatz der Lebenszeitanstellung gilt nur noch in 14 E U-Staaten . In zwanzig E U-Staaten können Beamte mittlerweile aufgrund schlechter Leistungen auf der Basis von negativen Leistungsbeurteilungen, in 17 Mitgliedsstaaten bei Umstrukturierungen oder – in acht Mitgliedsstaaten – bei wirtschaftlichen und ökonomischen Schwierigkeiten sogar aus dem Öffentlichen Dienst entlassen werden. [1] In Deutschland? Undenkbar!
Politiker wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble denken über die »Rente mit 70« nach, der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers fordert sogar eine generelle Aufhebung der Altersbeschränkung für Arbeitnehmer. Das mag in der Sache ja sinnvoll sein, aber wäre es nicht noch sinnvoller, wenn der Staat zuerst da handelt, wo er selbst als Arbeitgeber auftritt? Warum zieht er nicht in die politische Schlacht, um die Pensionsgrenze für Beamte auf 68 oder gar auf siebzig Jahre zu erhöhen? Sollte nicht der Öffentliche Dienst hier eine Vorreiterrolle mit modellhaften Maßnahmen übernehmen? Doch die Politik zieht es vor, sich wie bei der»freiwilligen Quote« für Frauen in Führungspositionen lieber an »die Wirtschaft« zu wenden, als vor der eigenen Haustür zu kehren.
Was spricht dagegen, die Umsetzung der »Pension mit 67« bei Beamten um jährlich wenigstens drei Monate gegenüber der »Rente mit 67« vorzuziehen, als Modell für mehr Generationengerechtigkeit? Die reguläre Anhebung der Altersgrenze wäre dann bereits im Jahr 2019 erreicht und würde vor allem auch die beamtenstarken Jahrgänge umfassen und die dringend sanierungsbedürftigen Länderhaushalte entlasten. Es wäre ein »Sonderopfer« für Beamte, gewiss. Aber eines, das die Lebensumstände der Betroffenen erheblich weniger beeinträchtigt als alle Entlastungsmaßnahmen, die für die Rentenversicherung bereits getroffen worden sind – ohne Rücksicht auf »standesgemäße Lebensumstände« der Rentner.
Welche politische Partei unternimmt die nötigen Anstrengungen, um die Diskrepanz zwischen den sich immer weiter auseinanderentwickelnden Renten- und Pensionssystemen zu verringern? Das ist nicht nur eine Frage großer Reformen, sondern auch vieler kleiner Schritte. Es ist
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