Die Perfekte Braut
kannst.« Ihre abschließende Bemerkung klang eine wenig anklagend.
»Das war zu erwarten«, sagte er so gelassen, dass sie wieder das Verlangen spürte, ihm etwas an den Kopf zu werfen. »Hast du heute schon etwas gegessen?«
»Nicht wirklich«, antwortete Chastity an ihrer Stelle. »Ein paar Krümel trockenen Toast.«
Prudence warf ihrer Schwester einen verärgerten Blick zu. »Ich habe keinen Appetit. Das ist allein meine Sache.«
»In diesem Punkt muss ich widersprechen. Wenn du im Zeugenstand ohnmächtig wirst, ist es auch meine.«
»Ich werde schon nicht in Ohnmacht fallen«, erwiderte sie.
»Würdest du jetzt ein wenig Toast und Honig zu dir nehmen?«, fragte er in einem Ton, der begütigend und mitfühlend zugleich war. Ein Ton, sorgsam kalkuliert, um sein Ziel zu erreichen, dachte Prudence.
Sie seufzte. In den Schmollwinkel wollte sie nicht gedrängt werden. »Hungrig bin ich zwar nicht, aber wenn du darauf bestehst...«
»Nein, ich bestehe nicht darauf, ich empfehle es nur«, sagte er, stand auf und ging zur Tür, um Thadeus den Auftrag zu geben. Er ging wieder zu seinem Stuhl. »So, und jetzt werde ich erklären, was heute vor sich gehen wird.«
Sie lauschten aufmerksam, als er sie instruierte. Prudence war so vertieft, dass sie einen Honigtoast fast ganz aufgegessen hatte, ehe sie es überhaupt bemerkte und ein wenig verärgert und erstaunt feststellte, dass sie sich kräftiger fühlte und keine Übelkeit mehr verspürte.
Gideon enthielt sich klug einer Bemerkung. »Also, ich fasse zusammen«, sagte er. »Sir Samuel verständigte uns, dass er The Mayfair Lady als Zeugin der Gegenseite befragen wird. Er wird trachten, die Zeitung in den Augen der Geschworenen zu diskreditieren, ehe ich die Chance zu einem Plädoyer bekomme. Prudence, mach dich auf eine sehr aggressive Befragung gefasst. Sollte er damit größeren Schaden anrichten, habe ich Gelegenheit, dies bei meinem Kreuzverhör zu korrigieren.«
Prudence, die sich fragte, welchen Schaden er wohl voraussah, nickte nur.
Gideon schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Wenn es mir gelingt, im Kreuzverhör Barclays Glaubwürdigkeit nachhaltig zu erschüttern, wirst du möglicherweise leichtes Spiel haben.«
»Falls man nicht entdeckt, wer wir sind«, warf Prudence ein.
»Wir halten das zwar für ausgeschlossen, aber sicher kann man nie sein.«
»Sie werden es nicht herauskriegen«, erwiderte er.
»Woher willst du das wissen?«
Er lächelte. »In dieser Branche gibt es Möglichkeiten, gewisse einschlägige Fakten herauszufinden.«
»Du bist wohl nicht auf den Gedanken gekommen, dass es uns die Sache erheblich erleichtert hätte, wenn wir das gewusst hätten?«, fragte Prudence.
»Um wirklich sicher zu sein, musste ich bis zur letzten Minute warten. Alles kann sich bis zum letzten Moment ändern.«
»Das sehe ich ein«, sagte Constance und lenkte Gideons Aufmerksamkeit von Prudence ab. »Aber wir saßen wie auf glühenden Kohlen.«
»Das kann ich verstehen, doch ließ sich da nichts machen.« Er griff nach seiner Taschenuhr und warf einen Blick darauf. »In der Mittagspause besprechen wir dann, wie es am Morgen gelaufen ist.«
Prudence nickte, einfach ihre Erleichterung auskostend, da sie nun nicht mehr befürchten mussten, ihr Inkognito würde gelüftet. Und für unangebrachte Erinnerungsschübe hatte sie jetzt nicht den Kopf. »Können wir gehen?«
Er stand auf. »Ja. Constance, Sie und Chastity sollten ganz hinten auf der Galerie sitzen. Achten Sie darauf, dass man Sie vom Zeugenstand aus nicht sieht, ich möchte nicht, dass Sie Prudence, wenn auch ungewollt, ablenken. Am liebsten wäre es mir, sie wüsste nicht, dass Sie anwesend sind.«
»Ich weiß es aber«, wandte Prudence ein. »Wären sie nicht da, könnte ich das alles nicht durchstehen.«
»Das kann ich verstehen. Trotzdem musst du akzeptieren, was ich sage. In diesem Fall weiß ich, wovon ich rede.« Er legte Robe und Perücke an.
Die Worte in diesem Fall waren unmerklich betont, und Prudence fragte sich, welche Bedeutung das wohl hatte. Eine Anspielung auf etwas Persönliches zwischen ihnen konnte es nicht sein. Er hatte heute Morgen nicht die leiseste Andeutung gemacht, dass es irgendwelche Gemeinsamkeiten gegeben hatte. Und ihre erste eigene Reaktion auf das Wiedersehen war nur eine Verirrung, eine, die man am besten wieder vergaß.
Da die Gerichtsverhandlung am Old Bailey in einem kleinen Raum stattfand, war die Zahl der Zuschauer begrenzt - ein Vorteil, wie Gideon
Weitere Kostenlose Bücher