Die Perfekte Braut
»Aber ich hätte ohnehin ablehnen müssen«, flunkerte sie drauflos. »Ich habe noch eine andere Verpflichtung.«
»Es war keine Aufforderung«, widersprach er. »Es war eine Bitte.«
»Es hat sich wie eine Aufforderung gelesen.«
»Dann müssen Sie mir vergeben.« Wie eine Entschuldigung hörte es sich nicht an. Rasch stand er auf und deutete unvermittelt mit dem Finger auf sie. »Ist es Ihre und die Gewohnheit Ihrer Schwestern, sich mit Frauen von der Straße abzugeben, Madam Mayfair Lady?«
Prudence machte den Mund auf, um lautstark und entrüstet zu verneinen, dann ging ihr auf, was er gesagt hatte. »Keiner wird wissen, dass wir mehr als eine sind«, protestierte sie. »"Wir sind übereingekommen, dass es nur eine Repräsentantin geben soll. The Mayfair Lady. Man kann uns diese Frage nicht stellen, weil man nichts von uns wissen wird.«
Er schüttelte den Kopf. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Man wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Ihre Identität festzustellen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Gegenseite sogar ein Detektivbüro einschaltete, da sie - wie ich - wenig erbaut davon ist, eine Zeitung in den Zeugenstand zu rufen.« Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, als die Standuhr in der Ecke laut hallend achtmal schlug.
»Detektiv?« Prudence schien schockiert. »Sicher nicht.« Sie fuhr mit den Armen in die Ärmel des Mantels, den er ihr hinhielt.
»Seien Sie auf der Hut«, sagte er und öffnete ihr die Tür.
Prudence ging an ihm vorüber. »Wie viel Zeit haben wir bis zum Prozess?«
Er zuckte mit den Achseln. »Drei, vielleicht vier "Wochen. Sam Richardson hat einigen Einfluss bei Gericht und sehr tüchtige Mitarbeiter. Sie werden herausbekommen, wer den Vorsitz führt, und Sam wird mit dem Betreffenden sicher ein angenehmes Gespräch bei einem überaus zufrieden stellenden Dinner in seinem Klub führen. Der Fall wird dann zur Verhandlung kommen, wann es ihm genehm ist.«
Prudence runzelte die Stirn. »Aber besitzen Sie nicht ähnlichen Einfluss?«
»Sicher habe ich den, aber wie ich schon sagte, möchte ich ihn nicht geltend machen.«
»Aber wir haben unseren F&ll noch nicht vorbereitet.«
»Bringen Sie mir die Beweise, Miss Duncan. Sie sagten selbst, dass wir dann alles Nötige haben.« Er öffnete die Haustür. Die Straßenbeleuchtung brannte, Cobham saß schmauchend auf dem Kutschbock des Landauers, während die Pferde ungeduldig mit den Hufen scharrten, da die herbstliche Abendluft empfindlich kühl war.
Gideon begleitete sie die Stufen hinunter und half ihr beim Einsteigen. »Aber glauben Sie das?«, fragte sie, von seinem sarkastischen Unterton irritiert.
Daraufhin lachte er, aber es klang in ihren Ohren nicht angenehm. »Es bleibt mir nichts anderes übrig, meine Liebe. Vertrauen ist schon der halbe Sieg. Ich kann nicht in Erwartung einer Niederlage vor Gericht gehen.«
»Aber rechnen Sie denn mit einer?« Sie nahm ihre Brille ab und fixierte ihn mit einem ängstlichen Blick. Das Licht der Straßenlaterne verlieh ihren Augen und ihrem Haar einen goldenen Glanz.
Momentan erschien ein Schimmer der Bezauberung in seinen grauen Augen. Er öffnete den Mund halb, als wolle er etwas sagen, dann schüttelte er den Kopf mit einem erneuten leichten Auflachen, trat zurück und winkte, als der Wagen sich in Bewegung setzte.
10
»Wieder ein Brief für Sie, Miss Prudence. Von Sir Gideon.« Jenkins legte am Morgen darauf den schmalen, länglichen Umschlag neben ihr Frühstücksgedeck. »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf - der Anwalt scheint ein eifriger Briefeschreiber zu sein.«
»Ich vertraue darauf, dass er sich ebenso eifrig um unseren Fall bemüht«, sagte Prudence spitz. Sie schlitzte den Umschlag mit dem Buttermesser auf und überflog den Inhalt.
»Du hast keinen Grund, etwas anderes anzunehmen, Prue«, protestierte Chastity leise tadelnd und blickte sie über die Times hinweg an.
»Nein, vermutlich nicht«, gab Prudence seufzend von sich. »Aber gestern hat er mir das Gefühl vermittelt, es sei vergebliche Mühe, da wir sowieso keine Chance hätten, und dass er im Grunde genommen schon bedaure, überhaupt Zeit darauf zu verwenden.« Sie zerknüllte den Brief und warf ihn in den Kamin.
»Vielleicht war er nur nicht in Stimmung, über Bräute zu sprechen«, meinte Chastity. »Schließlich hattest du eben erst seine Tochter kennen gelernt. Das muss ihm recht unangenehm gewesen sein.«
»Nein, gar nicht«, widersprach ihre Schwester. »Er war gar nicht
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