Die Perserinnen - Babylon 323
sprichst
du?“
„Ich dachte, du wüsstest es schon“, sagte Farnakia mit einem
unbehaglichen Seitenblick zu Frataguna. „Heute Morgen hat sich der König bei
der Opferzeremonie von seinem Bruder vertreten lassen.“
Jeden Morgen in aller Frühe opferte der König den Göttern,
gleich nach dem Aufstehen, sogar wenn er am Abend zuvor ausgiebig gebechert
hatte. Notfalls legte er sich danach wieder hin. Paruschjati wandte sich an
Philippos. Der Arzt würde wissen, wenn es dem König nicht gut ging. „Was hat
das zu bedeuten? Ist der König krank?“
Philippos schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Als
sein Halbbruder hat Arridaios das Recht, das Ritual an seiner Stelle zu
vollziehen. Er macht das nicht gerade oft, aber es ist auch nichts
Ungewöhnliches.“
„Vielleicht ist der König krank, ohne dass er dich hat rufen
lassen?“
„Möglich. Es gibt Leute, die wegen jeder Lappalie gleich den
Arzt holen. Andere wiederum können im Sterben liegen und wollen trotzdem
keinen. Oder sie werden schlagartig gesund, sobald einer in Sichtweite kommt.“
Philippos warf Paruschjati einen vielsagenden Blick zu. „Der König gehört zur
mittleren Kategorie.“
Sobald der Arzt gegangen war, nahm Paruschjati Farnakia ins
Verhör. Der Eunuch diente ihr nicht nur als Mundschenk, er war auch stets
umfassend über den jeweils aktuellen Palastklatsch informiert. Zu seinem Kummer
interessierte sich Paruschjati normalerweise nicht für Klatsch, und gerade
jetzt, wo Farnakias spezielles Talent zur Abwechslung einmal gefragt war,
wusste er nicht viel mehr zu berichten als das, was er unfreiwillig schon
ausgeplaudert hatte.
„Es heißt, dass der König am Morgen ein Bad genommen und
sich dann wieder schlafen gelegt hat. Das ist alles“, sagte er
niedergeschlagen.
„Ich möchte, dass du die Ohren offen hältst und mich über
alles, was du erfährst, auf dem Laufenden hältst.“
„Mit Vergnügen“, säuselte Farnakia beglückt und verbeugte
sich.
Danach schickte Paruschjati einen der jüngeren Eunuchen aus
ihrem Hofstaat zu den Gemächern der Königinmutter mit dem Auftrag, sich nach
Sissingambris Befinden zu erkundigen. Sie machte sich Sorgen um die alte Frau,
die ihre Pflichten als weibliches Oberhaupt des Königshauses normalerweise sehr
ernst nahm. Für ihre Abwesenheit auf dem Fest am Abend zuvor musste es einen
wichtigen Grund geben.
„Dieser Vorfall gestern …“, begann Faiduma schüchtern. „Ich
meine bei dem Schiffsrennen …“
„Was soll damit sein?“, fragte Frataguna, sichtlich
ungehalten, dass ihre Tochter das heikle Thema wieder zur Sprache brachte.
„Ich habe mir gedacht, vielleicht hatte er etwas mit diesem
Fest zu tun. Du weißt schon, das, wo die Herren ihre Sklaven bedienen und sich
von ihnen herumkommandieren lassen müssen.“
Frataguna starrte sie überrascht an. „Natürlich! Ich hätte
selbst daran denken sollen! Als Anhänger des Propheten Zarathuschtra feiern wir
dieses Fest natürlich nicht, aber die Einheimischen machen immer viel Wirbel
darum. Erzähl deiner Tante, was es damit auf sich hat!“
„Einmal im Jahr“, erläuterte Faiduma, „findet in Babiru ein
großes Fest statt. Fünf Tage sind die Grenzen zwischen oben und unten, zwischen
reich und arm aufgehoben. Auf den Straßen wird gesungen und getanzt. In jedem
Haus übernimmt ein Sklave die Stelle des Hausherrn, und die anderen
Hausbewohner müssen tun, was er sagt. Früher, als Babiru noch einen eigenen
König hatte, wurde das Fest auch im Palast gefeiert. Dabei legte ein Sklave das
Gewand und die Krone des Königs an und setzte sich auf seinen Thron.“
„Genau wie gestern!“, schaltete sich Frataguna wieder ein.
„Siehst du, Paruschjati, es war alles ganz harmlos.“
„Merkwürdig, mir ist gar nicht aufgefallen, dass in der
Stadt gefeiert wird.“ Paruschjati runzelte die Stirn. „Wann findet dieses Fest
statt?“
„Vom sechzehnten bis zum zwanzigsten Tag des Monats, den die
Einheimischen Dumuzu nennen“, sagte Faiduma. „Das ist bei uns Parsa der
Garmapada.“
Paruschjati rechnete nach. Welches Datum war heute? Ach ja,
der siebzehnte Thuravahara (oder Daisios, wie die neuen Herrscher den Monat
nannten). Oder war es schon der achtzehnte? Nein, der siebzehnte. „Dann ist das
Fest erst in zwei Monaten“, sagte sie. „Der Vorfall gestern kann wohl kaum
etwas damit zu tun gehabt haben.“
„Das hat nichts zu bedeuten“, beharrte Frataguna. „Der Mann
war eben ein Verrückter. Wahrscheinlich hat er
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