Die Perserinnen - Babylon 323
Sorgen um mich, ich komme schon klar.
Denke lieber an dich selbst. Es gibt Gerüchte, dass es in deinem Haushalt einen
Verräter gibt.“
„Einen Spitzel?“ Paruschjati zuckte die Achseln und dachte
an Ahatu, die babylonische Harfenspielerin, die so plötzlich verschwunden war.
Vermutlich hatte Apama sie bezahlt. „Wahrscheinlich spioniert mein halber
Haushalt für irgendjemanden.“ Paruschjati gab sich keinen Illusionen hin.
„Es geht nicht nur ums Spionieren, sondern darum zu handeln.
Angeblich wartet jemand nur auf den Befehl zum Losschlagen.“
Paruschjati runzelte die Stirn. Das hörte sich in der Tat
ernst an. „Weißt du, wer es ist?“
„Nein. Ich habe nur zufällig ein Gespräch auf dem Korridor
mitbekommen, das nicht für fremde Ohren bestimmt war.“
„Danke für deine Warnung. Aber du solltest umgekehrt auch
auf mich hören. Geh zu Stratokles und Ilioneus. Sie werden dir helfen.“
„Niemand wird mir helfen. Ich bin ganz allein. Meine
Großmutter und du, ihr seid die Einzigen, denen etwas an mir liegt.“ Seine
Stimme wurde sarkastisch. „Aber nein, da war ja noch Alexander! Er hat mich
verschont, wo jeder andere mich längst aus dem Weg geräumt hätte. Ist das nicht
merkwürdig? Der Mensch, der mir am meisten Freundlichkeit erwiesen hat, ist
ausgerechnet der, der schuld am Tod meiner Eltern war und mich um mein Erbe
gebracht hat.“
Er wandte sich um und ging. Wie er so schmal und verloren in
seiner Eunuchenverkleidung den Säulengang hinunterstakste, tat er Paruschjati
unendlich leid. Obwohl er nur wenige Jahre jünger war als sie, kam er ihr fast
wie ein Kind vor. Genau wie sie selbst hatte er Schlimmes erlebt, und nun
fühlte er sich von allen verlassen.
„Vahauka!“
Er blickte sich um.
„Such dir eine andere Verkleidung. Als Eunuch bist du auf Dauer
nicht überzeugend. Sobald du den Mund aufmachst, merkt man, dass du nicht echt
bist.“
Als Paruschjati in den Saal zurückkehrte, wurde in einem der
Zugänge gerade eine Gruppe von Frauen und Eunuchen sichtbar. Endlich,
Raukschana an der Spitze ihres Gefolges. Ihre beiden Schwestern waren an ihrer
Seite, doch zu ihrer Überraschung erkannte Paruschjati auch Atalante. Die
Frau hat mindestens so viel Mut wie ihr Bruder, dachte sie mit
widerwilliger Bewunderung. Aber noch mehr als Atalantes Anwesenheit überraschte
sie Raukschanas Aufmachung. Während die anderen Frauen ohne Ausnahme Schwarz
trugen, war die Baktrierin in ein karminrotes Gewand gekleidet, das über und
über mit Goldplättchen benäht war. Empörtes Gemurmel erhob sich, während sie
zum Hauptportal schritt.
„Hast du kein Gefühl für Anstand?“, zischte Statira. „Du
gehst zum Totenbett des Königs in diesem Aufzug?“
Hoheitsvoll erklärte Raukschana: „Ich bin die erste Gemahlin
des verstorbenen Königs und die Mutter des zukünftigen. Warum sollte ich mich
nicht meiner Stellung entsprechend kleiden?“
Statira lachte höhnisch. „Die Mutter von wem? Die Makedonen
haben Perdikkas aus der Stadt gejagt, weil sie deinen Sohn nicht als König
wollten!“ Sie warf einen wütenden Blick zu Atalante, die jedoch nur ein gelangweilt-arrogantes
Gesicht zur Schau trug.
Raukschana zog die Brauen hoch. „Nun, von deinem Sohn
war jedenfalls überhaupt nicht die Rede. Keiner wollte ihn als König. Oder kann
es sein, dass er gar nicht existiert? Es wird nicht lange dauern, bis die
Fremden merken, dass sie sich einen Verrückten haben aufschwatzen lassen, und
dann werden sie Perdikkas zurückrufen und meinen Sohn zum König machen!“
„Den Sohn eines baktrischen Bauerntrampels?“
Raukschana lächelte mitleidig und ging an Statira vorbei auf
den Ausgang zu.
Statira schrie ihr nach: „Sieh doch endlich ein, dass deine
lächerliche Intrige gescheitert ist! Perdikkas und der andere Barbar werden
sich gegenseitig umbringen, und dann wird mein Sohn von allen als neuer König
anerkannt!“ Und als Raukschana immer noch nicht reagierte: „Was hast du
Perdikkas gegeben, damit er sich für dich einsetzt? Hast du versprochen, ihn zu
heiraten? Oder hat er dich auch ohne Hochzeit bekommen?“
Endlich blieb Raukschana stehen. Sie wandte sich um und warf
Statira einen Blick zu, der sie erbleichen ließ. Doch sie erwiderte auch
diesmal nichts, sondern drehte sich wieder um und ging.
Er sieht nicht tot aus. Schweigend blickte
Paruschjati auf die reglose Gestalt auf der Bahre. Zehn Tage sind eine lange
Zeit zum Sterben.
Als sie den König zum letzten Mal gesehen hatte, war er
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