Die Perserinnen - Babylon 323
Schmerz in ihrem Unterleib hinderte sie daran, sofort
wieder bewusstlos zu werden. Manchmal hörte sie wie aus weiter Ferne ein
rhythmisches Pochen, wie das Hämmern von Äxten gegen eine Tür, doch dann kam es
näher und näher, und sie bemerkte, dass es in ihrem Kopf war.
Dann wieder glaubte sie, weit in der Ferne ihre Mutter zu
sehen, die mit lauter Stimme ihren Namen rief. Doch wenn sie ihr näher zu
kommen versuchte, zerfloss ihre Gestalt wie Nebel. Fast die ganze Zeit nahm sie
ein Murmeln in der Nähe wahr, und wenn sie aufwachte, erkannte sie die Stimmen
von Frataguna und Mannuja, besorgt und eindringlich. Dann machte sie die Augen
auf und sah die verschwommenen Gestalten der beiden Frauen an ihrem Bett sitzen
oder sich liebevoll über sie beugen.
Einmal war auch die tiefere Stimme eines Mannes zu hören.
Sie öffnete die Augen. Das Gesicht, das über ihr schwebte, kam ihr bekannt vor,
aber ihr wollte nicht einfallen, wem es gehörte. Es bewegte die Lippen, doch
die Töne, die hervorkamen, ergaben keinen Sinn. Hände fassten unter ihre
Schultern und hoben ihren Oberkörper an, hielten ihr den Kopf, und plötzlich
hatte der Unbekannte einen Becher und setzte ihn an ihre Lippen.
Mit einem Mal fiel ihr ein, wer er war, Philippos, der Arzt,
und mit völliger Gewissheit erkannte sie, dass der Becher, den er ihr reichte,
Gift enthielt. Sie presste die Lippen zusammen und drehte den Kopf weg. Jemand
hielt ihre Arme fest und zwang ihren Kopf nach vorn, doch sie wehrte sich
verzweifelt, warf sich von einer Seite zur anderen. Wieder sagte der Arzt etwas
Unverständliches. Die Griffe, die sie festhielten, lockerten sich und ließen
sie behutsam zurück auf das Kissen sinken. Der Nebel, der sie umgab, lichtete
sich.
„Du musst es trinken“, sagte Philippos mit besorgter Miene.
Seine Worte waren jetzt klar zu verstehen, seine Stimme dröhnte wie eine Pauke
und hatte sogar ein Echo. „Es ist ein Heilmittel. Ohne die Medizin wird dein
Kind sterben und vielleicht sogar du selbst. Vertrau mir! Du musst trinken!“
Schwer atmend lag sie auf dem Rücken und sah zu ihm auf.
Sein Gesicht war alt und faltig, die Augen unter den buschigen weißen Brauen
fast farblos. „Vertrau mir“, wiederholte er, und plötzlich erkannte sie, dass
sie keine andere Wahl hatte. Sie würde sterben, so oder so, es sei denn, der
Becher enthielt tatsächlich ein Mittel, das sie retten konnte. Es war ihre
einzige Chance. Langsam nickte sie, wieder wurde ihr Oberkörper aufgerichtet
und der Becher an ihre Lippen gesetzt, und diesmal trank sie.
Danach wurde sie etwas klarer. Reglos lag sie auf den Rücken
und sah hinauf zur Decke. Ihr Herzschlag raste, ihr Atem ging stoßweise, ihre
Haut war von kaltem Schweiß überzogen. Und über allem schwebte der feurige
Schmerz in ihrem Unterleib. Es war die falsche Entscheidung, dachte sie, jetzt sterbe ich wirklich. Später hörte sie Vidarnas Stimme, er schien
wütend zu sein, und dann saß plötzlich Barsine bei ihr. Sie strich ihr die
Haare aus dem Gesicht und sprach mit sanfter Stimme zu ihr, stundenlang.
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Babylon, 2. Panemos
Auch als sie wacher und wacher wurde, behielt sie die Augen
geschlossen und vermied jede Bewegung, lag nur da und ließ das Gefühl
vollkommener Ruhe auf sich wirken. Es musste sehr früh am Morgen sein, das
spürte sie an dem kühlen Luftzug, der über ihre Stirn strich. Durch die
geschlossenen Lider konnte sie die Helligkeit des neuen Tages erahnen; draußen
sang irgendwo ein Vogel. Erst dann fiel ihr auf, dass die Schmerzen fort waren.
Sie öffnete die Augen.
Mannuja saß auf dem Bettrand und beugte sich über sie. Die
Falten im Gesicht der alten Frau schienen tiefer geworden zu sein, doch das
Lächeln darauf machte es weich und nahm ihm die Bitterkeit des Alters. Nach
einer Weile verschwand das Gesicht und wurde von dem Fratagunas ersetzt, der
vor Erleichterung Tränen über die Wangen liefen. „Ich wusste, dass du es
schaffen würdest!“
Mannuja war wieder da, mit einem Becher in der Hand. „Du
musst noch etwas von der Medizin nehmen.“
Die beiden halfen ihr beim Trinken, dann nahm Frataguna ihre
Hand, während Mannuja sich auf einen Schemel am Bett setzte. Ihre knochigen,
abgearbeiteten Hände lagen gefaltet in ihrem Schoß.
„Was ist passiert?“, fragte Paruschjati.
Die beiden anderen Frauen wechselten einen Blick.
„Hatte ich eine Fehlgeburt?“
Frataguna schüttelte den Kopf. „Nein.“
Sie redete nicht weiter, doch Paruschjati spürte, dass da
noch
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