Die Perserinnen - Babylon 323
sich den Hocker heran, auf dem
Vidarna zuvor gesessen hatte, und setzte sich ans Bett. Frataguna und Mannuja
schnappten nach Luft, doch Paruschjati fand, dass der Arzt sich diese kleine
Freiheit herausnehmen konnte. Immerhin hatte er ihr das Leben gerettet.
„Jemand hat dir ein Mittel verabreicht, das Fehlgeburten
auslöst, in hoher Dosierung aber auch tödlich sein kann. Du hattest Glück, dass
ich die Symptome richtig gedeutet habe. Das Gegenmittel wirkt nur, wenn es
rechtzeitig eingenommen wird. Es lässt sich immer noch nicht mit Sicherheit
sagen, ob du schwanger bist, aber jedenfalls hattest du keine Fehlgeburt, wenn
die beiden Damen hier gut achtgegeben haben.“
Er blickte erst zu Frataguna, dann zu Mannuja, und beide
schüttelten den Kopf.
„Warum dachtest du, ich wollte dich vergiften?“
Die Frage war so plötzlich gekommen, dass Paruschjati
zusammenzuckte. „Wie kommst du darauf?“
Philippos seufzte. „Kranke im Fieberwahn sträuben sich
häufig gegen die Behandlung. Hin und wieder deliriert sogar einer, dass der
Arzt ihn vergiften will. Damit bin ich vertraut. Aber bei dir schien es mir
mehr als die übliche Wahnvorstellung zu sein. Du warst so überzeugt, dass der
Becher Gift enthielt, gerade in deinen klareren Augenblicken. Also, warum
dachtest du, ich will dich vergiften?“
Das Thema war ihr peinlich, doch sie wusste, dass sie ihm
eine ehrliche Antwort schuldig war. „Es gibt Gerüchte, dass der König vergiftet
wurde.“
„Du meinst diese Geschichten über das Bankett bei Medios?
Was hast du gehört?“
„Dass der König an diesem Abend eine Art Wetttrinken mit
Proteas veranstaltet haben soll. Mittendrin brach er mit einem Aufschrei
zusammen und hielt sich die Seite, als ob ihn dort ein Pfeil getroffen hatte.
Dann trugen seine Freunde ihn hinaus.“
Philippos schüttelte den Kopf. „Das ist eine ziemlich
dramatisierte Darstellung dessen, was sich tatsächlich ereignet hat. Der König
hat nicht nur mit Proteas um die Wette getrunken, sondern auch mit so ziemlich
allen anderen Gästen, und das auch noch mit unverdünntem Wein. Er war also
schon ziemlich angeschlagen, als Proteas ihn herausforderte. Es stimmt, ihm
wurde schwarz vor Augen, und er musste sich setzen. Alles andere ist Unsinn.
Als Alexander das Bankett verließ, war er noch ein bisschen blass um die Nase,
aber sonst ging es ihm wieder gut. Ich weiß das zufällig genau, denn ich war an
dem Abend dabei.“
Paruschjati starrte ihn wortlos an.
„Oh! Daher dein Misstrauen! Du verdächtigst mich, an der
angeblichen Verschwörung beteiligt gewesen zu sein.“ Philippos lachte, aber es
klang gequält. „Wer von den Gästen soll denn sonst noch mit von der Partie
gewesen sein?“
„Alle“, sagte Paruschjati schlicht.
„Alle?“ Philippos pfiff durch die Zähne. „Ich habe ein
Dutzend Versionen gehört, mit wechselnden Besetzungen, darunter auch ein paar
Mal ich selbst. Aber alle? Das ist originell. Wie kommst du darauf?“
„Ich habe es von jemandem gehört, der dabei war.“
„Also einem der Verschwörer?“
„Natürlich nicht, sonst hätte er sich mir wohl kaum
anvertraut.“
„Woher wollte er dann wissen, wer von den Gästen eingeweiht
war?“
„Er sagt, er habe es in ihren Gesichtern gelesen. Sie
wirkten schuldbewusst.“
Wieder lachte der Arzt, diesmal etwas überzeugender. „Außer
mir und dem tugendhaften Eumenes waren alle Anwesenden mindestens so betrunken
wie der König selbst. Und da will dein Informant gesehen haben, wer alles ein
schuldbewusstes Gesicht gemacht hat? Wie will er denn zwanzig Gesichter
gleichzeitig im Auge behalten haben, noch dazu, während alle anderen
erschrocken zum König starrten?“
Genau das hatte Barsine auch gefragt, fiel Paruschjati ein,
doch sie hatte das Argument beiseitegewischt.
Philippos war wieder ernst geworden. „Ich war Alexanders
Arzt, seit er ein Junge war, und ich kann mich rühmen, ihm mehr als einmal das
Leben gerettet zu haben. Und du selbst – habe ich nicht auch dein Leben
gerettet? Hältst du mich wirklich für einen Giftmischer?“
Verlegen wandte Paruschjati den Blick ab. „Was hattest du
dann mit Kassandros zu besprechen? Er hasste den König, und er hatte den
meisten Grund, ihm den Tod zu wünschen. Ich habe dich einmal mit ihm gesehen,
Medios war ebenfalls dabei.“
„Ich erinnere mich nicht, aber ich nehme an, ich habe mit
den beiden über das Gleiche gesprochen wie mit der Hälfte aller Menschen im
Palast. Jeder wollte von mir wissen, wie
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