Die Perserinnen - Babylon 323
mehr war. „Sagt mir alles, ich will es wissen.“
Frataguna atmete tief ein. „Du wurdest vergiftet. Jemand hat
dir ein Mittel gegeben, das Fehlgeburten verursacht. Du hast großes Glück
gehabt, der Arzt hat erkannt, was es war, und dir ein Gegenmittel verabreicht.
Wir haben sofort reagiert. Niemand kommt in diesen Raum außer uns beiden und
dem Arzt. Wir sorgen dafür, dass du nichts isst oder trinkst, ohne dass es von
uns vorgekostet wurde.“
Angestrengt dachte Paruschjati nach. Es musste schon am
Abend nach der Versammlung begonnen haben, sie erinnerte sich an den Schmerz,
der sie oben auf dem Dach heimgesucht hatte. An diesem Tag hatte nichts außerhalb
ihrer Gemächer zu sich genommen. Also musste jemand aus ihrem eigenen Haushalt
ihr das Mittel verabreicht haben. Jemand, der an ihr Essen herankam, jemand aus
ihrer nächsten Umgebung. Vahaukas Warnung war begründet gewesen, doch sie war
zu spät gekommen.
„Habt ihr einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?“
„Ischna ist verschwunden“, sagte Mannuja tonlos.
„Ischna?“, fragte Paruschjati verwundert. Aspamithra hatte
das Kammermädchen verdächtigt, für Apama spioniert zu haben, Mannuja dagegen
hatte ihre Großnichte in Schutz genommen. Später, als Ahatu so plötzlich
verschwunden war, hatte sich der Verdacht gegen die Harfenspielerin gerichtet.
Jetzt war auch Ischna verschwunden – sollte doch sie die undichte Stelle
gewesen sein? Doch eine Fehlgeburt war sicher das Letzte, was im Interesse von
Seleukos’ Gattin lag. „Warum sollte Apama mich vergiften?“
„Nicht Apama!“, korrigiert Frataguna. „Raukschana! Ich bin
sicher, sie ist es, die hinter dem Anschlag steckt! Ich wusste immer, dass
dieser baktrischen Giftschlange alles zuzutrauen ist. Und es ist nicht der
erste verdächtige Vorfall. Mannuja?“
Mannuja blickte auf. „Vor einigen Tagen haben die
Dienerinnen, die dein Schlafzimmer in Ordnung halten, unter deinem Bett etwas
gefunden. Etwas, was ich nicht näher beschreiben möchte. Aber ich habe es den
Priesterinnen im Ninmach-Tempel gezeigt. Sie sagten, es sei ein sehr wirksamer
Zauber. Ein Zauber, mit dem Lamaschtu beschworen wird, die babylonische
Dämonin, die Fehlgeburten verursacht.“
Paruschjati dachte nach. „Wann war das?“
„An dem Tag, an dem du zum Beten in den Ninmach-Tempel
gegangen bist. Ich dachte damals, dass Ahatu dahintersteckte, also stellte ich
sie zur Rede, aber sie stritt alles ab. Deshalb drohte ich ihr für den Fall,
dass sie nicht freiwillig verschwand.“
Also deshalb hatte Mannuja an dem bewussten Tag nicht mit in
den Ninmach-Tempel kommen wollen – sie hatte Paruschjatis Abwesenheit dazu
genutzt, um das vermeintliche Problem mit der Harfenspielerin zu lösen.
„Es ist meine Schuld“, fuhr die alte Frau leise fort.
„Aspamithra hat mich vor Ischna gewarnt, doch ich habe sie verteidigt. Sie ist
meine Großnichte, und sie war immer zuverlässig und fleißig. Ihre ganze Familie
ist bei einer Seuche umgekommen, deshalb habe ich sie aufgenommen. Als sie
unter Verdacht geriet, hätte ich sie sofort wegschicken müssen. Doch ich habe
nichts unternommen. Das werde ich mir nie verzeihen.“
„Es ist das reinste Chaos“, erstattete Farnakia Bericht.
„Meleagros hat sich mit seinen Anhängern im Alten Palast eingenistet. Die ihm ergebenen
Truppen kontrollieren die Stadt, während Perdikkas und seine Leute vor den
Toren lagern und die Straßen nach Babiru sperren, ebenso den Fluss und die
Kanäle. Die makedonische Reiterei draußen vor der Stadt belagert also die
makedonischen Fußtruppen drinnen – eine bizarre Situation. Das Schlimmste ist,
dass Perdikkas und seine Leute keine Lebensmittel in die Stadt lassen. Viele
Einwohner haben Gärten, sie können sich eine Zeitlang selbst versorgen, aber
für die gesamte Bevölkerung reicht es nicht. Am ersten Tag ging es noch
einigermaßen, aber gestern hat sich die Versorgungslage drastisch verschärft,
und heute …“
„Einen Augenblick“, fiel ihm Paruschjati ins Wort. „Gestern?
Vorgestern?“ Sie versuchte, die Tage in eine schlüssige Abfolge zu bringen, doch
es gelang ihr nicht. „Wie lange ist es her, dass der König gestorben ist?“
„Das war vor drei Tagen.“
„Drei? Ich habe einen ganzen Tag verloren?“
„Ja“, bestätigte Frataguna. „Du warst die meiste Zeit
bewusstlos.“
Paruschjati bat Faiduma um ein weiteres Kissen. Das Mädchen
sprang auf und stopfte es ihr hinter den Rücken, während Farnakia seinen
Bericht
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